Sach 7,3
J.Kroeker
Von unseren Glaubenskonflikten.
"Indem sie die Priester beim Hause des Herrn der Heerscharen
und die Propheten fragten: Soll ich ferner im fünften Monat
weinen und mich enthalten, wie ich nun so viele Jahre getan?"
Sach. 7,3.
Das war die Gewissensfrage einer sehr schwer heimgesuchten
Gemeinde. Sie setzte sich zusammen aus den Gliedern jenes
Volkes, das eine fast siebzigjährige Gefangenschaft hinter
sich hatte. Unter der Regierung Darius war es einer großen
Anzahl der jüdischen Exilanten gelungen, den Boden ihrer
babylonischen Schmach und Knechtschaft zu verlassen und in
das heilige Land der Väter zurückzukehren. Bethel war zum
Sammelpunkt dieser Heimgekehrten geworden. Als diese, in der
Heimat angekommen, das Herz voll brennender Sehnsucht nach
jenen alten Heiligtümern, wo man Gott einst so oft begegnet
war, nun sahen, wie alles dem Herzen Heilige in Trümmern und
im Staube lag, da hatten sie weit er geweint und gefastet,
wie sie es so lange während der babylonischen Gefangenschaft
getan hatten.
Denn während der fast siebzigjährigen Gefangenschaft hatte
man an den Wassern Babels viel gefastet und gebetet. Jedes
entscheidende Geschichtsereignis in den Tagen des einstigen
nationalen Zusammenbruchs hatte man zu einem Fasten gemacht.
Nun hatte man in zerrissener Seelenstimmung siebzig Jahre
lang gefastet, Monat um Monat, Jahrzehnt um Jahrzehnt, und
endlich schien nach langem sehnsuchtsvollen Warten der
Morgen eines neuen Zeitalters angebrochen zu sein. Man
war zurückgekehrt und hatte sich zunächst in Bethel
niedergelassen.
Was man aber sah und vorfand, ließ das Herz nur noch weiter
bluten. Zwar war es dem Statthalter Serubabel und dem
Hohenpriester Josua unter Überwindung großer Schwierigkeiten
gelungen, die Fundamente zum neuen Heiligtum zu legen. Zwei
Jahre waren jedoch bereits seit diesem großen Augenblicke
verflossen. Stadt und Heiligtum konnten sich aber nicht aus
den Trümmern und aus dem Schutt der Vergangenheit erheben.
Alles, was man sah, erinnerte nur weiter an Niederlage,
Schmach, Gericht und Schuld. Die Alten, die noch die
einstige Blüte des Volkes, den stolzen Bau der Davidsburg und
die Schönheit des Gottestempels gesehen hatten, weinten beim
Anblick dessen, was unter den Händen der Müden und auch
innerlich Lässigen entstand. Das alles führte die
Heimgekehrten zu jenem neuen Seelenkonflikt, in dem man Boten
nach Jerusalem zum Propheten mit der Gewissensfrage sandte:
"Soll ich weiter weinen und fasten, wie ich nun schon so
viele Jahre getan habe?"