Hes 47,1
C.Eichhorn
Pfingstsonntag
Siehe, es floß ein Wasser heraus unter der Schwelle des
Tempels gegen Osten. Hes. 47, 1
Der Prophet sieht einen Strom wunderbarer Art, dessen
Ursprung im Tempel ist. Das Wasser kommt aus dem Innersten
des Heiligtums, aus dem Allerheiligsten, das nach Westen zu
lag, und fließt in östlicher Richtung. Das Merkwürdige ist,
daß es immer stärker wird, ohne doch Zufluß zu bekommen.
Tausend Ellen vom Heiligtum entfernt, geht es dem Propheten
bis an die Knöchel, nach abermals tausend Ellen bis an die
Knie, dann bis an die Hüften, und zuletzt fand er keinen
Grund mehr. - Dieser Strom ist ein Bild des Heiligen
Geistes. Er bringt Leben; denn der Strom, den der Prophet
sah, verwandelt das Tote Meer mit seinem ungenießbaren Wasser
in eine Stätte des Lebens. Die Wasser, in denen kein
lebendes Wesen gedeihen kann, werden gesund und füllen sich
mit Fischen. An den Ufern sprossen Bäume hervor, die mit
Früchten beladen sind. Ihre Blätter welken nicht, und die
Früchte gehen nicht aus. Jeden Monat kommen frische Früchte
zum Vorschein. Die Blätter aber dienen als Arznei. Das
Wasser quillt aus dem Heiligtum; das gibt ihm seine
lebenspendende Kraft. Es wirkt Leben nach zwei Seiten hin:
erstens verborgenes Leben. Die Fische sind im Innern des
Stromes und den Blicken entzogen. So wirkt der Heilige Geist
verborgenes Leben: Liebeshingabe an Gott und zarte Scheu,
seine Heiligkeit nicht zu verletzen, Herzensbeugung und
sanftmütigen, demütigen Sinn; willigen Gehorsam und
immerwährenden Dank und Anbetung; priesterlichen Sinn, der
sich in fürbittendem Eintreten bekundet; Reichssinn, dem es
vor allem um die Heiligung des Namens des Vaters, um das
Kommen seines Reiches und die Ausführung des göttlichen
Willens zu tun ist. Das Wasser wirkt aber auch Leben, das
nach außen hin sichtbar wird in den Bäumen mit ihren
heilkräftigen Blättern und schmackhaften Früchten. Der
Heilige Geist wirkt auch Leben, das nach außen hin sichtbar
wird: das alte Wesen, der Wandel nach väterlicher Weise ist
vergangen, es ist alles neu geworden. Das große Erleben
der Neugeburt gestaltet völlig um. Als Zachäus seinen
Wiedergutmachungsgang angetreten hat, merkten dies die
Bewohner Jerichos. Der Heilige Geist macht genießbar und
fruchtbar für andere durch Werke der Liebe und Worte des
Lebens. Nur dürfen wir dem Strom nicht ausweichen, nicht auf
der Seite stehenbleiben, gleich den Lachen (Hes. 47, 11).
Der Geistesstrom muß uns erfassen, durchdringen, bewegen und
tragen.