Jeremia

Jer 31,9 C.Eichhorn Gebeugte Seelen kann Gott leiten Sie werden weinend kommen und betend, so will ich sie leiten. Ich will sie leiten an den Wasserbächen auf schlichtem Weg. Jer. 31, 9

"Der Herr leitet die Elenden recht und lehrt die Elenden seinen Weg." Wer sind die Elenden? Es sind die gedemütigten Seelen. Die Hochmütigen sind nicht leitbar. Sie sind wie Rosse und Maultiere, denen man Zaum und Gebiß anlegen muß. Nur innerlich gebeugte und zerbrochene Seelen kann der Herr leiten, solche, die ausrufen: "Ich bin gezüchtigt wie ein ungebändigtes Kalb." Sie erkennen ihren Eigenwillen, durch den sie einem ungebändigten jungen Stier gleichen. Solch ein Tier läßt sich schwer führen. Es macht immer wieder Seitensprünge und bleibt stehen, anstatt weiterzugehen. Wenn unter inneren und äußeren Züchtigungen der starre Sinn gebrochen wird und der Mensch mit Schmerz sein ungehorsames Wesen erkennt und zugleich die unendliche Geduld und Langmut seines Gottes, die ihn gezüchtigt und doch nicht getötet hat, dann fließen Tränen. Dann beginnt auch erst das rechte Beten. Zuvor betet der Mensch sich selbst an. Nun erwartet er nichts mehr von sich, sondern alles vom Herrn. Nun kann auch der große Hirte der Schafe ihn bei der Hand nehmen und leiten. Aus dem innersten Herzen kommt dann die Bitte: "Ach, leite mich auf allen Tritten! Ich geh', o Herr, erhör mein Bitten, ohn' dich nicht einen Schritt allein!" - "Ich will sie leiten an den Wasserbächen." Die eigenen, verkehrten Wege führen uns in die Wüste. Wir werden müde und verschmachten auf unseren Irrwegen. Unter der Führung des Herrn wandeln wir wohl mitunter auf rauhen Wegen, aber wir werden auch erquickt und reichlich getröstet. - Ja, er macht die unebenen, holprigen Wege schlicht und eben. Denn was unsere Wege so schwierig und voll Anstoß macht, ist unser blinder Eigensinn. Wir meinen, die Menschen seien schuld, die uns Verdruß und Ärger bereiten, und die Verhältnisse, die so schwierig und drückend sind. Aber die Schuld liegt an uns selbst. Hörst du etwa von einem Jünger Jesu die Klage: "Ach, ich habe einen schweren Weg! Mir will nichts gelingen! Überall Hindernisse! Es ist, als hätte sich alles gegen mich verschworen!" ? Nein, alle die Seelen, die sich Jesus ergeben haben, wissen nur davon zu rühmen, wie er sie wunderbar durchbringt und ihren Lebensweg gerade so gestaltet, wie es für sie recht und angemessen ist. Kein Wunder, daß der Mensch, solange er vom finsteren Eigenleben beherrscht ist, beständig zu klagen hat. Er meint, die anderen müßten gerade so sein, wie er sie haben möchte, und die Verhältnisse und Umstände müßten sich gerade so gestalten, wie er es wünscht und plant. Der ungebeugte Sinn des natürlichen Menschen trägt in sich unerschöpflichen Stoff zu Reibungen, Zerwürfnissen und Schwierigkeiten. Selig, wer weinend und betend kommt und sich vom Heiland bei der Hand nehmen läßt! Dann findet der Heiland auch da einen Weg, wo unser Auge keinen erblickt. Er führt uns sicher ans Ziel. Die Bahn ist geebnet.