Jeremia

Jer 31,3 C.H.Spurgeon ,,Ich habe dich zu mir gezogen aus lauter Güte." Jer. 31, 3.

Alle Donnerschläge des Gesetzes und alle Schrecken des Gerichts haben nur Zweck, uns zu Christo zu führen; aber der endliche Sieg ist das Werk der Freundlichkeit und Leutseligkeit unsers Gottes. Der verlorne Sohn kehrte um zu seines Vaters Hause, weil ihn der Mangel drückte; aber sein Vater sah ihn von ferne, und eilte ihm entgegen; und als er die letzten Schritte heimwärts lenkte, glühte noch des Vaters Kuß auf seiner Wange, und der Wohllaut des Willkommgrußes tönte noch selig in seinem Ohr nach. ,,Der Hammer Sinais verhärtet nur die Herzen, Doch sieh', das Herz zerschmilzt bei Jesu Lieb' und Schmerzen." Der Herr kam eines Nachts vor die Tür, und pochte mit der ehernen Faust des Gesetzes an; die Tür wankte und zitterte in ihren Angeln; aber der Mensch türmte Gerät auf Gerät, soviel er nur aufzutreiben vermochte, gegen das Tor, denn er sagte: ,,Den Menschen laß ich nicht herein." Der Meister wandte sich weg, aber endlich kam Er wieder, und mit seiner eignen sanften Hand klopfte Er abermals an, Er klopfte mit den Wunden, welche die Nägel Ihm in die Hände gerissen hatten, aber Er klopfte so sanft und so zart! Diesmal zitterte die Tür nicht, sondern, merkwürdig, sie öffnete sich, und da lag der einst so widerspenstige Hauswirt auf den Knieen und war voller Freude, seinen Gast empfangen zu dürfen. ,,Komm herein, komm herein; Du hast so angeklopft, daß sich mir das Herz im Leibe bewegt, Dir entgegen. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, daß Deine durchgrabene Hand ihre Blutspur an meiner Tür zurücklassen, und daß Du obdachlos Dich wieder entfernen solltest, denn ,,Dein Haupt ist voll Taues, und Deine Locken voll Nachttropfen." Ich liege hier, ich bin Dein eigen, Deine Liebe hat mir das Herz genommen." Das ist allezeit so. Güte trägt den Sieg davon. Was Moses mit den steinernen Tafeln nie erreichen kann, das erreicht Christus, der Herr, mit seiner durchbohrten Hand. Seht, das ist eure Berufung; o, daß ihr's aus eigner Erfahrung kenntet, wie Er euch zu sich ziehen will! Meine Seele, kannst du sagen: ,,Er hat mich gezogen, und ich folge Ihm und freue mich seiner göttlichen Stimme?" Wenn dem so ist, o, dann wolle Er mich ferner nach sich ziehen, bis ich endlich mich setzen werde zum Hochzeitsmahl des Lammes!



C.H.Spurgeon ,,Ich habe dich je und je geliebet." Jer. 31, 3.

Manchmal verkündigt der Herr Jesus seiner Brautgemeinde seine Liebesgedanken. Es ist Ihm nicht genug, daß Er sie hinter ihrem Rücken rühme; Er spricht's vor ihren Ohren aus: ,,Siehe, meine Freundin, du bist schön, siehe, schön bist du." Zwar ist das nicht seine gewöhnliche Art; Er ist ein weiser Freund, und weiß, wo Er mit seinen Liebesergüssen zurückhalten muß, und wo Er sie unverhohlen verkündigen darf, aber es gibt Zeiten, wo Er kein Geheimnis daraus macht; Zeiten, wo Er unumwunden den Seinen sein Herz öffnet. Es gefällt dem Heiligen Geist manchmal, unsern Seelen voller Freundlichkeit und Gnade die Liebe Jesu zu bezeugen. Er nimmt, was Christo angehört, und offenbart es uns. Wir vernehmen keine Stimme aus den Wolken und sehen kein Gesicht in der Nacht, und dennoch empfangen wir ein sichreres Zeugnis, als durch eines dieser beiden. Wenn ein Engel vom Himmel daher flöge, und unterrichtete den Heiligen persönlich von des Heilandes Liebe zu ihm, so wäre dieser Beweis auch um kein Haar schlagender, als der, den der Heilige Geist im Herzen führt. Frage diejenigen von den Kindern Gottes, die der Himmelspforte zunächst wohnen, so werden sie dir sagen, daß sie Zeiten erlebt haben, wo Christi Liebe gegen sie ihnen so gewiß und klar war, daß sie daran so wenig zweifelten, als an ihrem eignen Dasein. Ja, liebe gläubige Seele, du und ich haben Zeiten der Erquickung in der Gegenwart des Herrn erlebt, und alsdann hat unser Glaube den höchsten Gipfel der Gewißheit erreicht. Wir haben unser Haupt mit kindlichstem Vertrauen unserm Herrn an den Busen gelehnt, und haben an unsres Meisters Liebe so wenig gezweifelt, als der geliebte Jünger Johannes; ja, noch mehr: denn die beängstigende Frage: ,,Herr, bin ich's, der Dich verraten wird?" ist uns nicht mehr von ferne in den Sinn gekommen. Er hat uns geküßt mit den Küssen seines Mundes, und hat unsre Zweifel mit seiner herzlichen Umarmung erstickt. Seine Liebe war uns lieblicher denn Wein. ,,Wie wohl ist mir, o Freund der Seele, Wenn ich in Deiner Liebe ruh'! Ich steig' aus dunkler Schwermutshöhle Und eile Deinen Armen zu. Hier ist mein Himmel schon auf Erden, Hier muß der Freuden Füll' mir werden!"





D.Rappard Ich habe dich je und je geliebt; darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Jer. 31,3.

Ein kunstlos gemaltes Bild, das ich als Kind einst sah, hat mir einen unauslöschlichen Eindruck gemacht. Aus wildbewegtem Meer ragt ein Fels empor, darauf steht ein Kreuz und an demselben ist Jesus, der Retter. In seiner Hand hält er ein starkes Seil, das weit hinausreicht über das große Meer. Ein Geretteter ist schon ganz herbeigezogen und ruht selig zu den Füßen des Herrn. Einige Gestalten ringen noch in den Wellen, und in weiter Ferne taucht noch ein sehnendes, verlangendes Gesicht aus den schwarzen Wassern hervor. Auch dieser Ertrinkende kommt herzu; auch er wird gezogen zum Retter hin. Unter dem Bilde stehen die Worte: Ich habe dich zu mir gezogen aus lauter Güte.

Siehst du d i c h in diesem Bilde, liebe Seele? Hast du diesen heiligen Zug nicht auch verspürt? Lässest du dich ziehen, näher, immer näher zu deinem Gott? Kein anderes Wort drückt so genau das aus, was die Liebe Gottes an uns tut. Es ist kein Zwingen, kein Drohen. Es ist in Wahrheit ein Z i e h e n, wie denn auch Jesus spricht: Wenn ich erhöht sein werde von der Erde, will ich sie alle zu mir ziehen.

Jesu, zieh alle, die uns bekannt, Die uns befreundet oder verwandt, Die nach Dir fragen, am Liebesseil, Und laß sie finden ewiges Heil.





D.Rappard Der Herr ist mir erschienen von ferne: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Jer. 31,3.

Noch einmal müssen wir dieses Wort beschauen. Wir haben uns bei einer herrlichen Wirkung der Liebe Gottes aufgehalten. Betrachten wir diese Liebe selbst.

Der Herr ist mir erschienen von ferne, hebt der Prophet an. Er bezeugt damit, daß ihm eine innere Offenbarung zuteil geworden sei. Und es bedarf in der Tat einer solchen inneren Offenbarung, um die überwältigende Wahrheit lebendig zu erfassen: Gott hat mich lieb. - Wir haben es zwar früh lernen dürfen, haben fröhlich gesungen: Gott ist die Liebe, er liebt auch mich. Aber wie anders klang es, als wir gebrochen zu Jesu Füßen lagen und nichts fühlten als unser Elend, und dessen dann inne wurden durch das Wort und den Geist des Herrn, d a ß e r u n s d e n n o c h l i e b t.

Und zwar ist es eine ewige Liebe, mit der er die Seinen liebt. Vor Grundlegung der Welt hat diese Liebe begonnen. Ehe wir ins Dasein traten, wartete die Liebe auf uns. Es ist unbegreiflich, aber es ist Gottes Wahrheit. Daß wir seinen Zug verspüren, sei uns ein Pfand dieser göttlichen Liebe. Wir wollen glauben und anbeten.

Heiland! Nimmer will ich's glauben, Daß Du jemals mich verläß'st: Was Du liebst, das liebst Du ewig, Was Du hast, das hä1tst Du fest.