Jer 10,23
C.O.Rosenius
Ich weiß, daß des Menschen Tun nicht in seiner Gewalt steht,
und steht in niemandes Macht, wie er wandle oder seinen Gang
richte. Jer. 10, 23.
Bei solchen Worten bleibt uns nichts anderes übrig, als
entweder darüber aufzuwachen und zu sehen, daß Gott viel
größer als alle unsere Gedanken ist, daß Er uns in Seiner
Macht und Fürsorge um uns unbegreiflich ist, und daß wir
kleine, schwache Wesen sind, wenn es gilt, Ihn zu erfassen,
oder aber wir müssen das ganze Wort Gottes verwerfen. Ja,
nicht einmal das wäre genug, sondern wir würden dann auch
solche Toren sein, die nicht einmal das sehen, was die ganze
sichtbare Schöpfung zeigt, wie Gott für Sein Geschöpf zu
sorgen vermag. Wir würden Toren sein, von denen David sagt:
,,Sie sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott."
Hier dürfte jemand einwenden: ,,Das ist wahr! Alles, was uns
geschieht, ist uns vom treuen Gott zugesandt. soweit es
nicht solches betrifft, was von der eigenen Freiheit des
Menschen abhängt. Wenn ich aber durch meinen Eigenwillen und
andere sündliche Beweggründe mich selbst ins Unglück gebracht
habe, dann muß ich mir selbst die Schuld geben und darf mich
nicht der Führung Gottes trösten." Antwort: Dies ist an und
für sich richtig, wird aber oft falsch aufgefaßt. Gott hat
uns eine gewisse bedenkliche Freiheit gelassen, in der wir
uns für Zeit und Ewigkeit unglücklich machen können, nämlich,
wenn wir fortwährend und vorsätzlich Seinem Geiste
widerstreben.
Hier aber sind zwei Dinge zu beachten: Du hast dich durch
Sünde und Torheit ins Unglück gebracht, bist jetzt aber doch
zur Reue und zu einem gehorsamen Geist gekommen, so daß du in
Zukunft dem Rat des Herrn folgen willst, dann sind die Gnade
Gottes und Seine väterliche Liebe so groß, daß Er all dein
Übel zum Besten, alle Folgen deiner Torheit zu deinem Nutzen
wenden wird; denn ,,denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge
zum Besten dienen." - Gott zürnt nicht ewiglich und hadert
nicht immerdar. Er ist ein gnadenvoller Gott und Vater.
Obwohl man Ihm lange getrotzt hat, sich dann aber bekehrt, so
ist Er uns in Zukunft doch noch so gnädig, als hätten wir nie
gesündigt. Durch großen Eigenwillen bekamen die Israeliten
Könige, der Herr aber verließ sie trotzdem nicht, sondern
erwies ihnen ebensoviel Gutes, allerdings mußten sie mehr
leiden. Paulus war in seinem Unglauben ein arger Feind und
Verfolger Christi gewesen, Jesus aber berief ihn trotzdem zum
größten Apostel und machte sogar aus der großen Sünde zwei
gute Dinge, teils nämlich ein mächtiges Mittel der Demütigung
für den Apostel, teils aber auch ein mächtiges Trostmittel
für andere. Wir dürfen daraus erkennen, daß Gott auch unsere
größten Fehler und Torheiten zu unserem Nutzen wenden kann,
wenn wir nur zur Bekehrung kommen. Ja, Luther sagt sogar,
daß der Herr auch an Seinen Heiligen dieselbe Güte bei ihren
Fehltritten erzeigen muß. Die trostreichen Worte lauten
folgendermaßen: ,,Das ist Gottes Werk und Kunst, daß Er böse
Sachen gutmachen kann, wenn wir sie verdorben und verwahrlost
haben. Ich habe wahrlich oftmals viele Dinge unweise und
töricht ausgerichtet, worüber ich hernach heftig erschrocken
worden bin, und ich konnte nicht sehen, wie ich aus solchen
Sachen, die durch meine Torheit verworren und verderbt waren,
wiederum möchte frei werden. Aber der Herr hat einen solchen
Weg getroffen, daß es gebessert worden, was ich versehen
hatte. Und so regiert Gott alle Seine Heiligen, daß sie wohl
irren und fehlen mögen, gleichwohl es aber mit ihnen ein
gutes Ende nehmen oder wenigstens ohne großen Schaden abgehen
muß. Gott ist ein allmächtiger Schöpfer, der aus nichts
alles macht; darum kann Er auch aus dem, was böse ist, Gutes
hervorbringen." Ja, Gott ist ein treuer Vater.
Das zweite, was wir zu merken haben, ist dieses: Wer da
befürchtet, er widerstehe noch in irgendeiner Weise dem
Willen Gottes, hat dabei aber einen Geist, der ängstlich
seufzt: ,,Gott, erbarme Dich! Töte meinen Eigenwillen und
bringe mich auf den Weg Deines Willens, auf daß ich recht
Dein und Dir gehorsam werde", ein solcher hat das volle
Recht, sich der gnädigen Führung Gottes zu trösten. Denn
jeglicher Widerstand gegen den Willen Gottes, den jemand
ernstlich beklagt, und gegen den er die allmächtige Hilfe
Gottes anruft, ist nichts anderes als der harte Streit des
Fleisches gegen den Geist. Da ist der Sinn auf Gottes Seite
und die Sache sogleich in Gottes Händen. Wegen eines solchen
Widerstandes des Fleisches, der uns nur um so mehr zu
Gott treibt, wird kein Mensch unglücklich. Denn, wenn die
Kraft, die Ketten zu zerreißen, die Kraft, das Fleisch zu
überwinden, bei uns läge, dann wäre das ganze Wort Gottes
falsch, welches sagt, daß dies nie in unserer Macht liegt.
Es kann wohl geschehen, daß du durch viele Leiden so lange
ermüdet und getötet werden wirst, bis der mächtige Eigenwille
ermattet und du dich in den Willen Gottes fügst und anfängst,
allem ernstlich zu fliehen, was du Gott in Seinem Wort
verbieten siehst. Geht es aber so, daß du anfängst,
einige ,,Ratschläge der Gottlosen", Entschuldigungen und
Verteidigungen der Sünde zu suchen, um ,,dein Treten auf den
Weg der Sünder" zu bemänteln, dann bist du in deinem Sinn
abgefallen, dann bist du mit dir selbst einig, der Sünde
zu folgen; und dann ist der Widerstand gegen den Geist
vorsätzlich. Dann darfst du dich nicht der Führung Gottes
trösten, dann gehst du vielmehr deinen eigenen Weg, dir zum
Verderben.
O, gib dein Leben, Tun und Stand
Nur gänzlich hin in Seine Hand;
So wird Er deinen Sachen
Ein fröhlich Ende machen.