Jes 59,1
C.O.Rosenius
Siehe, des Herrn Hand ist nicht zu kurz, daß Er nicht helfen
könne; und Seine Ohren sind nicht hart gewor4en, daß Er nicht
höre. Jes. 59, 1.
Es gibt Menschen, die sich wohl in allen Stücken als rechte
Christen beweisen und doch in gewisse Sorgen und Nöte
vertieft einhergehen, als wären diese nie zu ändern, als gäbe
es eine Not, in der unser Gott nicht helfen könnte, als wäre
Gott tot oder ohnmächtig geworden und als ob das Kind des
Höchsten in irgendeiner Sache unglücklich sein müßte. Zwar
scheinen sie Glauben und Erkenntnis genug zu haben; aber in
einer gewissen Not oder Schwierigkeit ängstigen sie sich und
seufzen und trauern in einer solchen Weise, als gäbe es
keinen Gott und Heiland. Werden sie daran erinnert, Gott zu
vertrauen, dann antworten sie: ,,Wohl weiß ich, daß Gott
mächtig und treu ist, aber hier ist ja ein Verhältnis, dem
nicht abgeholfen werden kann." - Dieser Geist der Sorge
kann zuweilen jeden Christen angreifen. Aber es ist nur
Finsternis, Unglaube und Irrtum, wenn ein Christ sich für
unglücklich und sein Verhältnis für unabänderlich ansieht.
Der Herr spricht: ,,Ist Meine Hand nun so kurz geworden, daß
sie nicht erlösen kann? Oder ist bei Mir keine Kraft zu
erretten? Oder habe Ich kein Herz mehr für euch? Wo ist der
Scheidebrief eurer Mutter, mit dem Ich sie entlassen hätte?
Oder wer ist Mein Gläubiger, dem Ich euch verkauft habe?"
Es liegt also lauter Finsternis und Irrtum in dem Gedanken,
daß ein Christ in irgendeinem Fall unglücklich sein müßte.
Ein Kind Gottes ist nie unglücklich, es kann in Wirklichkeit
nicht unglücklich sein. Denn ein Kind Gottes zu sein, ist an
und für sich schon ein solches Glück, daß jedes Unglück des
Lebens - wenn auch demselben nicht abgeholfen werden könnte -
dagegen nur wie ein kleines Sandkorn gegen die ganze Erde,
nur wie der Verlust eines Pfennigs gegen den Gewinn von
Millionen ist. Und unser Gott kann allem abhelfen, ,,die
rechte Hand des Höchsten kann alles ändern." Sollte Er aber
in einer Sache nicht helfen oder sie nicht ändern wollen,
weil Er es nicht für gut hält, dann darf dies die Kinder
Gottes nie unglücklich machen, weil sie sicher zu ihrem Glück
gerade in dieser Lage verbleiben müssen, gemäß den Worten des
Apostels: ,,Wir wissen, daß denen, die Gott lieben, alle
Dinge zum Besten dienen." Das ist der große Vorzug, den alle
Kinder Gottes anderen Menschen gegenüber haben, daß - was
ihnen auch immer geschehen mag - ihnen alles unbedingt zu
ihrem Besten dienen muß. Die Welt kann wohl mehr Gold und
Silber, mehr Speise und Trank, mehr Scherz und Vergnügen
haben, in das glückliche Verhältnis aber kann sie nie kommen,
in dem die Kinder Gottes leben, denen alles zu ihrem Besten
dienen soll, wohingegen die Welt alles zu ihrem Schaden
anwendet. Und wenn der Welt alles am besten zu sein scheint
und sie aufs höchste gekommen ist, dann ist es nichts weiter,
als daß sie des Teufels Sklavin und Miterbin des ewigen
Feuers ist. Wenn dagegen die Kinder Gottes es am ärgsten
haben und am tiefsten in das Jammertal der Leiden und
Versuchungen hinabgeführt werden, wenn Hiob im Sack und
in der Asche sitzt und jammernd seine Wunden schabt, wenn
Jeremia in der Grube voller Schlamm, Daniel in der Löwengrube
und der arme Lazarus mit Wunden und in Fetzen vor des Reichen
Tür liegen, ist es nicht ärger mit ihnen, als daß sie mitten
in alledem des Herrn ,,Augäpfel", Seines Herzens Lust, Kinder
der Gerechtigkeit, das heilige Volk und das Eigentumsvolk
sind, um schließlich von den Engeln in Abrahams Schoß
getragen zu werden.
Die Kinder Gottes können also nie unglücklich sein. Selbst
das Unglück muß ihnen zum Nutzen gereichen - und was noch
mehr ist, selbst die Sünde, die das größte Übel ist, wird sie
nicht verdammen, der Teufel sie nicht überwinden, der Tod
ihnen nicht schaden, vielmehr müssen all diese gräßlichen
Feinde auf den Wink des Herrn ihnen zum Nutzen gereichen.
Hieraus erkennen wir, daß es keine Not gibt, in der unser
Gott nicht helfen kann, daß keine Macht uns von der Liebe
Gottes, die in Christus Jesus ist, zu scheiden vermag und
kein Feind Ihm die Schafe Christi entreißen kann. Um jemals
verlorenzugehen, müßten sie wie unsere ersten Eltern
,,vorsätzlich" von Christus weggehen, vorsätzlich Seiner
Stimme ungehorsam werden, bezaubert von der Stimme der
Schlange und dem Betrug der Sünde. Hier ist der Grund für
die wichtige Wahrheit, daß kein Christ verlorengeht, solange
er sich davor fürchtet, Gottes Wort schätzt, dasselbe hört
und sich sagen läßt. Solange kann keine Gewalt ihn von der
Liebe Christi scheiden, wäre er auch noch so schwach, sähe es
auch noch so übel aus und läge er auch noch so tief im Elend.
Allem kann abgeholfen werden, solange er Hilfe bei dem Herrn
sucht, und zwar in Übereinstimmung mit der Weise, in der der
Herr zu helfen versprochen hat. Denn es ist unmöglich, daß
jemand, der dem Herrn vertraut und Ihn im Glauben anruft,
dennoch schließlich zuschanden würde. Forscht in der Schrift
von Anfang der Zeit an und untersucht, ob jemand, der auf
den Herrn gehofft und Ihn angerufen hat, jemals zuschanden
geworden ist. Es ist nur ein jämmerlicher Unglaube, wenn
ein Christ in irgendeiner Lage trauert, als hätte er keine
Hoffnung. Denn allem kann unser Gott abhelfen. Er ist ein
allmächtiger, treuer Vater, der in allem für Seine Kinder
sorgt, an allem teilnimmt, was ihnen zustößt, sie schützt,
pflegt und ihnen hilft, wie geschrieben steht: ,,So spricht
der Herr Zebaoth: Wer euch antastet, der tastet Meinen
Augapfel an."
Faß' im Glauben kühnen Mut,
Hilf' wird dir Dein Helfer senden;
Mit der Hand, die Wunder tut,
Wird Er deine Leiden enden;
Er ist lauter Lieb und Huld;
Hoffe, Herz, nur mit Geduld!