Jes 42,8
C.O.Rosenius
Ich, der Herr, das ist Mein Name; und Ich will Meine
Ehre keinem anderen geben, noch Meinen Ruhm den Götzen.
Jes. 42, 8.
Die Juden wußten aus der Schrift, daß Gott verheißen hatte,
den Menschen einen guten Hirten zu senden. Die davon
handelnden Verheißungen lauteten: ,,Ich will ihnen einen
einigen Hirten erwecken, der sie weiden soll, nämlich Meinen
Knecht David. Der wird sie weiden und soll ihr Hirte sein."
Nun sagt der Herr in Joh. 10: ,,Dieser verheißene Hirte
bin Ich. Alle diejenigen, die vor Mir gekommen sind, mit
Anspruch darauf, es zu sein, sind Diebe und Räuber gewesen.
Ich bin der gute Hirte, der euch verheißen war." Damit wollte
der Herr uns lehren, daß Er in Seiner Art der alleinige gute
Hirte ist; Er ist der gute Hirte in einem solchen Sinn, daß
kein anderer als Er dies ist. Eine ewige Wahrheit, sowohl
zur Warnung als auch zum Trost! Die Christen sollten sich
nämlich vor einem abgöttischen Hangen an einem Unterhirten
hüten. Es ist ein gar abgöttisches und schädliches Anhangen,
wenn du von einem Menschen so abhängig wirst, daß, wenn
dieser wegzieht, dein ganzer Trost und deine ganze Leitung
damit verloren wäre, oder wenn dein Lehrer vom Wege der
Wahrheit abweichen würde, du auch mit ihm von der Wahrheit
abwichest. Welch eine Gefahr!
Ein Christ muß seinen Hauptgrund und seine eigentliche
Herzensstütze im Herrn allein haben, so daß er, auch wenn er
an den ödesten Platz kommt, wo keine zärtliche Hirtenstimme
von menschlichen Lippen erschallt, doch allein mit dem
Heiland und Seinem Wort seine Seele erhalten kann und von
Herzen mit David ausruft: ,,Der Herr ist mein Hirte, mir wird
nichts mangeln". Und wenn der sonst vortrefflichste Lehrer
ein anderes Evangelium predigte als dasjenige, das Christus
und Seine Apostel gepredigt haben, dann müßtest du es fahren
lassen und beim Worte des Herrn bleiben und sagen: ,,Ich
weiß, wie Jesus lehrte und die Sünder behandelte, dabei
bleibe ich."
Unter allen anderen Plagen, die die gläubigen Unterhirten
bedrücken, ist es nicht die geringste, wenn sie erfahren
müssen, daß die armen Schafe, die sie zu ,,dem großen Hirten
der Schafe" haben ziehen wollen, anfangen, von dem Diener so
abhängig zu werden, daß sie ohne ihn unglücklich oder ohne
allen Trost, ohne alle Leitung in der Wahrheit sind. Wegen
eines solchen Anhangens muß mancher gläubige Diener
weggerafft oder aber durch einen Fleck tief beschämt werden,
auf daß man sich bedenken lerne und nicht einen Menschen zum
Abgott mache. So spricht der Herr: ,,Ich will Meine Ehre
keinem anderen geben, noch Meinen Ruhm den Götzen. Ich, Ich
bin der Herr, und ist außer Mir kein Heiland. Ich bin der
gute Hirte." Wir wollen hiermit gewiß nicht den kalten und
selbstklugen Geist rühmen, der alle Werkzeuge verachtet, die
der Herr in großer Barmherzigkeit Seiner Gemeinde gab, den
Geist, der das Licht in dem Worte verachtet, das Gott durch
diese Werkzeuge der Welt gegeben hat. Wir rühmen nicht jene
Selbstklugen, die unter dem Vorwand, daß sie den Geist Gottes
zum alleinigen Ausleger des Wortes haben, nur ihrem eigenen
Geist glauben. Dabei können sie mit ihrer eigenen privaten
Ansicht auch solche herrlichen Werkzeuge verachten, die Gott
zur Reformation oder Umgestaltung Seiner Kirche gebraucht
hat, und die in den reichsten Früchten die eigene
Versiegelung Gottes für ihre Sendung erhalten haben. Wir
wollen auch nicht dem Apostel Paulus widersprechen, der den
Zustand der Galater zu jener Zeit, als sie ihn als einen
Engel Gottes, ja, als Christus Jesus selbst aufnahmen und
ihre Augen für ihn hätten ausreißen können, als besonders
,,selig" rühmt; auch eine so brennende Liebe kann das
schönste Zeichen eines recht guten Zustandes sein. Wir
wollen nur vor diesem abgöttischen und schädlichen Anhangen
warnen, das sowohl für die Schafe als auch für die
Unterhirten so schädlich ist. Wir wollen dasselbe wie
Johannes der Täufer aussprechen, als er sagte: ,,Ihr selbst
seid meine Zeugen, daß ich gesagt habe, ich sei nicht
Christus, sondern ich bin nur vor Ihm her gesandt; ich bin
nur eine rufende Stimme; wer die Braut hat, der ist der
Bräutigam - Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen". Und mit
dem Apostel Paulus wollen wir fragen: ,,Ist denn Paulus für
euch gekreuzigt? Oder seid ihr in Pauli Namen getauft?"
(1. Kor. 1,13.),
Aus diesen Stellen sehen wir, daß die Jünger am Diener hangen
wollten. Wir dürfen uns darum nicht darüber wundern, wenn es
auch jetzt geschieht; aber wir sollen uns davor in acht
nehmen wie vor einer Sache, die den teuer erkauften Seelen
schädlich ist. Viele deutliche Beispiele zeigen: Ein Christ,
der eines ,,guten Hirten" beraubt und nun gezwungen wurde,
sich noch dichter an den Herrn und Sein Wort zu klammern,
erhielt gerade dadurch nicht nur in seinem geistlichen
Leben eine Reife und Festigkeit, die er sonst nicht gewonnen
hätte, sondern sein Herz gewann auch eine viel höhere und
dauerhaftere Freude in der näheren Bekanntschaft mit dem
Heiland, der jetzt das einsame Schaf aufsuchte und pflegte.
Durch solche Erfahrung lernt man das verstehen und erkennen,
was der Herr hier spricht: ,,Ich bin der Herr, das ist Mein
Name. Ich will Meine Ehre keinem anderen geben."
Ich bin Gott
Und das allerhöchste Gut;
Selig, wer Mich sucht und findet,
Wer in Meiner Gnade ruht!
Aller andre Trost verschwindet;
Laß die Götter, sie sind alle tot;
Ich bin Gott!