Jes 42,1
S.Keller
Jes. 42, 1: «Siehe, mein Knecht, den ich aufrecht erhalte.»
Das war Jesu Geheimnis, daß seine Kraft nicht sein war,
sondern seines Gottes und Vaters. Das hat ihn aufrecht
erhalten in viel Arbeit und Kampf. Was für Ansprüche sind an
seine Tragkraft gestellt worden! Was für Seelenstärke mußte
er haben in all den Zusammenstößen mit seinen Gegnern im Volk
und den bösen Geistern in der Luft! Aber seine völlige,
freiwillige Hingabe an des Vaters Willen war die Vorbedingung
für das Überfluten der Kraft Gottes in seine Person. Gottes
Kind und Knecht, aufrecht erhalten durch Gottes Kraft! Das
ist für uns kein bloßes Vorbild, keine Heldengestalt frommer
Sage, sondern die lebendigste Wirklichkeit, die wichtigste
Vermittlung. Durch unseren gläubigen Zusammenschluß mit
Jesus strömen Gottes Kräfte auf uns Schwache herab. Hätten
seine gläubigen Kinder und Knechte sonst solche Helden an
Tragkraft sein können, wenn seine Kraft nicht in ihnen
wirksam gewesen wäre, sie aufrecht zu erhalten? Der
Stärkegrad liegt nur an dem Maß, wie weit wir uns ihm
geöffnet haben; wieviel die rein natürliche Kraft des
Eigenwillens ausgeschaltet und aufgehoben ist -- das ist
unser Geheimnis. Die Kraft, die uns erhält, stammt von ihm.
Wir danken dir, lieber Vater im Himmel, daß du uns Jesum als
Kraftvermittler mitten in unser Menschenleben gestellt hast.
Mach uns leer von uns selbst und hungrig nach ihm, damit er
uns fülle. Amen.
J.Kroeker
Von unserer Erlösung.
"Siehe, das ist mein Knecht, auf den Ich mich stützen kann,
mein Erkorener, an welchem meine Seele Wohlgefallen gefunden
hat. Begabt mit meinem Geiste wird er den Nationen die
Verwirklichung des Rechtes überbringen." Jes. 42,1.
Von den Propheten bis zur Offenbarung bewegt sich der Inhalt
der einzelnen Schriften letzthin um die Person Jesu Christi.
Wenn die Apostel die ganze Fülle der Christuspersönlichkeit
ausdrücken wollen, dann sprechen sie von der Herrlichkeit
Christi. "Wir sahen seine Herrlichkeit!" bezeugt der greise
Johannes, und Paulus schreibt: "Christus in uns, das ist
Hoffnung auf Herrlichkeit." In der griechischen Konkordanz
finden wir den Ausdruck Doxa, d.h. Herrlichkeit, etwa
hundertfünfundsiebzigmal und in den meisten Fällen in
Verbindung mit der Person Jesu Christi. Dieser
Christus-Herrlichkeit gehören die kommenden Äonen
(Zeitalter).
Diese Herrlichkeit hat Christus seit seinem Erscheinen eine
weltgeschichtliche Bedeutung gegeben. Denn die Bedeutung
Jesu liegt nicht in dem, was die Welt Ihm gegeben, was sie
aus Ihm gemacht oder was sie Ihm genommen hat, sie liegt
vielmehr in dem, was Er aus der Welt gemacht, was Er ihr
gegeben, was Er ihr genommen hat. Sie wird Ihn nicht wieder
los, so oft sie Ihn auch kreuzigte. Er lebt in ihr, so oft
sie Ihn auch begrub. Er wirbt um sie, so oft sie auch
sprach: "Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche!"
In klaren Umrissen tritt diese Christuspersönlichkeit bereits
in Sicht bei den alttestamentlichen Propheten. In ihrer
Sehnsucht nach dem Gesalbten sprachen sie aus, was sie von
Ihm erwarteten. Im prophetischen Geiste sahen sie die
Herrlichkeit des kommenden Messias. Als Männer, die aufs
engste die Nöte ihres Volkes trugen und mitten in allem
Weltgeschehen auf die Herrschaft Gottes warteten, rang
ihre Seele mit drei Fragen: Die Schuldfrage, die
Gesellschaftsfrage und die Völkerfrage. Die Lösung für alle
diese drei Probleme fanden sie immer wieder nur in der
Verbindung mit der kommenden Messiaspersönlichkeit.
Die Schuldfrage fand für sie ihre Lösung in dem leidenden
Gottesknecht. Die Gesellschafts- und Gemeinschaftsfrage
löste sich für sie in dem erwarteten Messiaskönig. Die große
und verwickelte Welt- und Völkerfrage sahen sie zur Ruhe
kommen allein in dem ersehnten Völkerheiland. In diesen drei
großen Bildern schauten sie die ganze Herrlichkeit dessen,
den sie als Messias so sehnsüchtig erwarteten. Es ist uns
unmöglich, von dieser Messiaspersönlichkeit auch nur
annähernd ein erschöpfendes Bild zu geben. Aber auch unsere
Seele schlägt Ihm in Liebe und Anbetung in allem Wirrwarr
und Dunkel der Gegenwart entgegen:
"Wie soll ich dich empfangen und wie begegn' ich dir?
O aller Welt Verlangen, o meiner Seele Zier!"