Jesaja

Jes 40,6 Ch.Spurgeon "Es spricht eine Stimme: Predige! Und er sprach: Was soll ich predigen? 'Alles Fleisch ist Gras und alle seine Anmut wie die Blume des Feldes!'" Jesaja 40,6

In unserem Text stellt ihr fest, daß sogar Jesaja selbst, obwohl er ohne Zweifel zu denen gezählt werden konnte, die von Gott unterwiesen sind, sprach: "Was soll ich predigen?" Sogar er wußte nicht, daß dem Trösten des Volkes Gottes erst eine Heimsuchung vorangehen muß.

Manche Prediger haben vergessen, daß das Gesetz der Zuchtmeister ist, der uns zu Christus treibt. Sie haben auf den unfruchtbaren, ungebrochenen, brach liegenden Acker gesät und nicht berücksichtigt, daß die Schollen erst durch den Pflug aufgebrochen werden müssen. Manche Prediger haben sich bemüht, Christus denen köstlich zu machen, die sich selbst für reich und satt hielten. Kein Wunder, daß ihre Arbeit vergeblich war. Es ist unsere Pflicht, sogar selbstgerechten Sündern Jesus zu predigen. Es ist aber gewiß, daß sie ihn nicht annehmen werden, solange sie hoch von sich denken. Nur Kranke bedürfen eines Arztes. Das Werk des Heiligen Geistes ist, Sünder von der Sünde zu überführen, und solange das nicht an ihnen geschehen ist, können sie nicht dahin gebracht werden, die Gerechtigkeit bei Gott in Christus Jesus zu suchen.

Ich bin überzeugt: Wo wirklich ein Gnadenwerk in einer Seele vorhanden ist, fing es mit einem Niederreißen an. Der Heilige Geist baut nicht auf dem alten Fundament. Auf Holz, Heu und Stroh würde er niemals bauen. Er läßt über alle Babel des stolzen Ich ein Feuer ausbrechen. Er zerbricht unseren Bogen, schlägt unseren Speer entzwei und verbrennt unsere Wagen im Feuer. Wenn jedes Selbstvertrauen verschwunden ist, dann - und nicht eher - wird er den auserwählten, köstlichen Eckstein in unsere Seele legen. Der erweckte Sünder, der um Gnade schreit, wird sich wundern, daß seine Seele, anstatt zum baldigen Genuß des Friedens zu kommen, im Gefühl des göttlichen Zorns niedergebeugt ist. Gott kann dich nicht reinigen, bevor du nicht von deiner eigenen Unreinigkeit überzeugt bist.





C.O.Rosenius Alles Fleisch ist Heu. Jes. 40, 6.

Alles Menschliche ist falsch, schwach, wankend, ungewiß, veränderlich - unsere Vernunft, das Gefühl, die Gedanken und Meinungen. Bald sehe ich Gott in allem, was mir vor Augen kommt, bald scheint mir, daß es keinen Gott in der Welt gibt. Bald denke ich, daß Gott lauter überfließende Gnade und Liebe ist, bald wiederum, daß Er ermüdet, mir ungnädig, abgewandt und zornig sei. Bald halte ich mich für einen guten Christen, bald wiederum meine ich, ein ganz unverbesserlicher Sünder zu sein. Kurz: Meinungen, Gefühle - alles ist wie Rohr vorm Winde, schwankend, ungewiß, falsch, veränderlich, lügnerisch. Der Prophet sagt: ,,Alles Fleisch ist Heu." - So sehe ich endlich, daß alles, was ich denke, keine Beachtung verdient. Gewiß und ewig unerschütterlich ist nur eines: Im Himmel sitzt ein Richter auf dem Thron, der große, heilige Gott! Er hat ein ewig unerschütterliches Wort geredet und vom Himmel herabgesandt. Seine Urteile stehen fest wie die Berge; kein Buchstabe davon kann verändert noch zunichte gemacht werden, wenn auch Himmel und Erde vergehen. Seiner darf ich mich trösten!

Was sagt nun dieses ewige Wort von uns, von unserer Würdigkeit oder Unwürdigkeit und davon, wie wir vor den Augen Gottes aussehen? Es sagt: ,,Der Herr schaut vom Himmel auf der Menschen Kinder, daß Er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage. Aber sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer. Gott sah auf Erden, und siehe, sie war verderbt. Der Menschen Bosheit war groß auf Erden. Da ist nicht, der gerecht sei, auch nicht einer."

Gott ist so heilig, daß vor Ihm nicht einmal die Himmel rein sind. Er findet Unreinheit in Seinen Engeln und Torheit in Seinen Heiligen. Daraus folgt: Kein einziger Mensch kann vor Ihm bestehen, alle miteinander sind der ewigen Verdammnis wert und sich darin gleich. Judas und Johannes sind ein und derselben Verdammnis gleich wert. Petrus und der Zauberer Simon, die Jungfrau Maria und die Ehebrecherin sind ein und derselben Hölle gleich würdig. ,,Ach, wie erschrecklich und ungereimt", sagst du. Ja, fühle hier, wie die Vernunft anstößt, wenn man ungeschminkt ausspricht, was diese Worte enthalten: ,,Es ist hier kein Unterschied; sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus Seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist." Vor den Menschen besteht dieser Unterschied, nicht aber vor Gott. Auf Erden ist ein Abstand zwischen den Taltiefen und den Bergspitzen; wenn man aber den Abstand beider von der Sonne betrachtet, dann verschwindet dieser Unterschied, er kommt nicht mehr in Betracht, denn beider Abstand ist so groß, daß man von beiden nur sagt: ,,Der Abstand ist unermeßlich." Ebenso besteht ein Unterschied zwischen dem einen Menschen und dem anderen, zwischen der einen Stunde und der anderen, aber nicht vor Gott. Alles, was Mensch heißt, auch der treueste und frömmste Christ, ist ein ganz und gar unreiner Erdenwurm. Seine besten Werke sind mit dem Gift der alten Schlange befleckt. Sein Glaube, seine Liebe, sein Gebet und seine Danksagung, die seine besten Werke sind und vom Geiste Gottes bewirkt wurden, sind durch die Unreinheit des Gefäßes befleckt. Der Glaube ist mit Schlacke, mit Eigengerechtigkeit und Unglaube vermischt, die Liebe ist gering, beschränkt, nachlässig; das Gebet und die Danksagung sind kalt und schwach und der großen Majestät ganz unwürdig. Außer diesen beständigen Mängeln, die zur Verdammnis des Menschen hinreichend wären, fällt dieser unausgesetzt in Sünden und verunreinigt sich während der Wanderung. Er kann nie so wachsam sein, daß er nicht hier und da von der Gottlosigkeit befleckt wird. Die ganze Erde ist wie von einer wogenden Sündenflut von Ungerechtigkeit überflutet: Abgötterei, Unglaube, Sorge und Verzweiflung, Mißbrauch des Namens Gottes, Schwören und gottloses Geschwätz, Sabbatentheiligung, Ungehorsam, Zorn und Haß, Zank, Unzucht und Leichtfertigkeit, Unreinheit, Geiz, Diebstahl und Betrug, Falschheit, Lüge und Afterreden sind im Schwange. Wo dies alles nicht in Werke ausbricht, kocht das Herz doch von bösen Begierden, Gedanken und inwendigen Regungen, die vor den Augen des Heiligen lauter Unreinheit sind.

Das ist der Zustand des gefallenen Geschlechts! Und wie will nun ein Menschenkind vor Gott bestehen? Womit willst du deine Schulden bezahlen? Du kannst Ihm auf tausend nicht eins antworten. Auch wenn du lange ein gläubiger Christ gewesen bist, viel erfahren und ausgerichtet hast - blickt Gott mit Seinen heiligen Augen auf dich, so gilt dieses nicht mehr. Ein alter, frommer Diener Gottes fühlte dies und flehte deshalb: ,,Herr, gehe nicht ins Gericht mit Deinem Knechte; denn vor Dir ist kein Lebendiger gerecht." Vor Gott ist kein Lebendiger gerecht! Das ist das Urteil des Wortes. Es streitet gegen unsere Meinungen und Gefühle, die uns, wenn wir etwas frömmer gewesen sind, sagen, daß wir dann der Gnade auch würdiger sind und daß es Gott dann leichterfalle, uns zu vergeben; dagegen meinen wir, wenn wir gesündigt haben, daß es Gott dann schwererfallen müsse, uns zu vergeben. So müßten die Gnade und die Gerechtigkeit wenigstens teilweise aus unseren Werken, aus unserer Würdigkeit kommen. Dies aber haben wir nun die Schrift leugnen sehen. - Bleibe darum dessen eingedenk, daß du zu allen Stunden gleich würdig und unwürdig bist! Das ist das Urteil des ewigen himmlischen Vaters.

Das Wort bekennt und lehret frei, Daß nichts in Erd' und Himmel sei, Was einen Sünder selig macht, Als der, den man am Kreuz geschlacht', Der Seines Vaters ganzen Willen tat Und zur Versöhnung Blut vergossen hat.