Jes 33,24
C.O.Rosenius
Und kein Einwohner wird sagen: Ich bin schwach; denn das
Volk, das darin wohnt, wird Vergebung der Sünden haben.
Jes. 33, 24.
Wir sehen hier, daß die Vergebung der Sünden, die uns im
Tod Christi erworben wurde und die wir durch den Glauben
angenommen haben, uns ein ewiges Eigentum, eine tägliche und
ewige Gnade sein soll. Sie soll durch die uns anklebenden,
beschwerenden und zuzeiten leider auch ausbrechenden Sünden
nicht erschüttert oder von uns genommen werden, sondern wir
sollen darin, solange wir durch den Glauben in Christus
bleiben, alle Stunden als in ein und derselben Gnade bei Gott
stehen, weil die Gnade nicht von den Werken herrührt, ja,
weil wir in uns selbst der Verdammnis alle Stunden gleich
würdig, in Christus aber alle Stunden gleich gerecht sind.
Wenn Gott der Herr im Alten Testament das Gnadenreich
erwähnt, das durch Christus auf Erden gestiftet werden
sollte, dann nennt Er es in Jes. 33 ,,die Stadt unseres
Stifts" sowie ,,Jerusalem" und sagt schließlich von dieser
Stadt: ,,Und kein Einwohner wird sagen: Ich bin schwach; denn
das Volk, so darin wohnt, wird Vergebung der Sünden haben."
Wenn Gott im 89. Psalm Seinen Bund mit Seinem Sohn erwähnt
- den Bund einer ewigen Gnade über diejenigen, die der Sohn
mit Seiner Versöhnung erkaufte und verteidigt, und die an Ihn
glauben und darum hier ,,Seine (des Sohnes) Kinder" genannt
werden -, dann sagt Er: ,,Wo aber Seine Kinder Mein Gesetz
verlassen und in Meinen Rechten nicht wandeln, so sie Meine
Ordnungen entheiligen und Meine Gebote nicht halten, so will
ich ihre Sünde mit der Rute heimsuchen und ihre Missetat mit
Plagen; aber Meine Gnade will ich nicht von Ihm wenden und
Meine Wahrheit nicht lassen fehlen. Ich will Meinen Bund
nicht entheiligen und nicht ändern, was aus Meinem Munde
gegangen ist." - Und im Neuen Testament sagt der Apostel
Johannes: ,,Meine Kindlein, solches schreibe ich euch, auf
daß ihr nicht sündigt. Und ob jemand sündigt, so haben wir
einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht
ist; und derselbe ist die Versöhnung für unsere Sünden; nicht
allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen
Welt."
Wir wollen nicht mehr von den unzähligen, trostvollen Worten
der Schrift über diesen Punkt anführen, sondern hier nur eins
betrachten. In ihm sagt der Herr, daß die Einwohner dieser
Stadt - des Gnadenreiches - nicht nötig haben werden, darüber
zu klagen oder mit Besorgnis davon zu reden, daß sie schwach
seien, denn sie werden Vergebung der Sünden haben. Der Herr
scheint sagen zu wollen: Die Vergebung der Sünden setzt
voraus, daß Sünden und Gebrechen da sind, denn sonst hieße es
nicht Vergebung der Sünden; zu gleicher Zeit sagt Er aber
auch, daß die Sünde nicht zugerechnet, nicht bestraft und
ihrer nicht gedacht werden solle, denn es heißt Vergebung.
Was unter der Vergebung steht, das braucht nicht mehr
erwähnt, an das braucht nicht mehr mit Furcht gedacht zu
werden; denn vergeben ist vergeben. ,,Kein Einwohner wird
sagen: Ich bin schwach; denn das Volk, das darin wohnt, wird
Vergebung der Sünden haben."
Dieses Wort erinnert auch an ein besonderes Anliegen der
redlichen Gnadenkinder. Sie glauben wohl die Vergebung ihrer
Sünden, zu gleicher Zeit aber haben sie etwas anderes (wie es
ihnen scheint), worüber sie sich beklagen und bekümmern,
etwas, das ihnen nicht als Sünde zu betrachten einfällt,
sondern als eine Schwachheit, ein Mangel im Christentum, ein
Fehler, oder wie es sonst genannt werden soll. Sie sagen:
,,Wohl glaube ich, daß Gott mir alle Sünden vergibt, aber ich
bin so schwach, habe diese oder jene Schwachheiten" usw. Nun
sagt der Herr hier, daß dies alles zu den Sünden gehört.
Diese Vergebung entfernt und bedeckt alle Schwachheiten.
Wo ist eine Schwachheit, die nicht Sünde ist? Das Gesetz
fordert ja den ganzen Menschen - das Herz, die Gedanken,
die Gefühle. Darum verklagt es auch alles, was diese tun,
wenn es gegen das Wort streitet. Sollten die Mängel deines
Christentums also nicht Sünde sein? Ist es nicht Sünde, kalt
zu sein, träge zum Worte und zum Gebet und feige im Bekennen
zu sein? Alles aber, was Sünde ist, gehört unter die
Vergebung der Sünden. Es heißt nicht, daß Christus die
Sünden der Hand oder der Zunge versöhnte, sondern alle Sünden
des ganzen Menschen. Darum, solange du durch den Glauben in
Christus bleibst, also stets unter der Sünde leidest und
gegen sie wachest, betest und streitest, ist ,,nichts
Verdammliches" an dir; die Vergebung erstreckt sich über
alles, was du bist und hast.
Über dieses Thema sagt Luther: ,,Man soll diese Lehre wohl
fassen, daß man es gänzlich dafür halte, daß unsere
Frömmigkeit vor Gott heiße: Vergebung der Sünden. Wenn der
Mensch mit Gott handeln will, soll er wissen, daß weder seine
Sünde noch seine Frömmigkeit gelte. Handelt es sich darum,
daß ich vor den Menschen etwas tun, denken, reden und leben
soll, dann will ich fromm sein, mich vor der Sünde hüten und
viele gute Werke tun. Sobald es sich aber darum handelt, ob
ich Seine Gnade habe oder wie ich sie erhalten soll, dann
will ich nichts anderes sein als ein Sünder, auf daß dieser
Artikel von der Vergebung der Sünden auf mich seine Anwendung
finden möge; ja, dann will ich frisch im Glauben antworten:
Habe ich Sünde, so hat Christus Gerechtigkeit. Seine
Frömmigkeit ist meine Frömmigkeit. Ich sitze auf dem Thron,
dahin die Sünde nicht langen kann."
Hier bin ich ewig selig.
Hier hab ich ewig satt.
Die Güter sind unzählig.
Die hier mein Glaube hat.
Die Sünden sind vergeben;
Ich bin gerecht gemacht
Und aus dem Tod ins Leben
Durchs Blut hindurchgebracht.