Hl 5,8
C.H.Spurgeon
,,Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, findet ihr meinen
Freund, so sagt Ihm, daß ich vor Liebe krank liege."
Hohel. 5, 8.
Hier hören wir die Sprache des Gläubigen, der sich nach der
Gnadengegenwart und Gemeinschaft Jesu sehnt; er ist krank vor
Liebe zu seinem Herrn. Begnadigte Seelen fühlen sich nie
vollkommen wohl, wenn sie sich nicht in einem Zustand inniger
Vereinigung mit Christo befinden; denn wenn sie ferne von Ihm
sind, so haben sie keinen Frieden. Je näher bei Ihm, desto näher
bei der Vollkommenheit der himmlischen Ruhe; je näher bei Ihm,
desto voller das Herz; nicht nur erfüllt mit Frieden, sondern
erfüllt mit Leben, mit Kraft, mit Freude; denn das alles hängt
von dem beständigen Verkehr mit Jesu ab. Was die Sonne für den
Tag, was der Mond für die Nacht, was der Tau für die Blumen: das
ist unser Herr Jesus Christus für uns. Was das Brot ist für den
Hungrigen, die Kleidung für den Nackten, der Schatten eines
großen Felsens dem Wanderer im dürren Lande: das ist der Herr
Jesus für uns; und wenn wir darum uns nicht eins mit Ihm wissen
und fühlen, so darf's uns nicht wundern, wenn unser Geist in die
Worte des Hohenliedes ausbricht: ,,Ich beschwöre euch, ihr
Töchter Jerusalems, findet ihr meinen Freund, so sagt Ihm, daß
ich vor Liebe krank liege." Diese tiefe Sehnsucht, dies
ernstliche Verlangen nach Jesu ist mit einem großen Segen
verknüpft: ,,Selig sind, die da hungert und dürstet nach der
Gerechtigkeit;" und darum unaussprechlich selig, die da dürstet
nach dem Gerechten. Selig ist solch Hungern, denn es kommt von
Gott: kann mir nicht der volle Segen zuteil werden, daß ich
satt werde, so will ich diesen Segen zu empfangen suchen, in der
süßen Sehnsucht schmachtenden Dürstens und verlangenden
Hungerns, bis daß ich an Christo erquickt und gesättigt werde.
Kann ich Christum nicht genießen, so ist's für mich die nächste
Pforte zur himmlischen Seligkeit, wenn ich nach Ihm hungere und
dürste. Es ist eine solche Weihe um diesen Hunger, weil er unter
den Seligkeiten strahlt, die unser Herr preist. Aber die
Seligpreisung schließt auch eine Verheißung in sich. Solche
hungernden Seelen ,,sollen satt werden" mit dem, wonach sie
verlangt. Wenn der Herr Jesus unsre Sehnsucht nach Ihm erweckt,
so will und wird Er diese Sehnsucht auch stillen; und wenn Er zu
uns kommt, wie Er es verheißen hat, o, was wird dann das für ein
seliges Begegnen sein!