Hl 4,16
C.H.Spurgeon
,,Stehe auf, Nordwind, und komm, Südwind; und wehe durch meinen
Garten, daß seine Würze triefen."
Hohel. 4, 16.
Alles andre ist besser, als die tote Ruhe der Gleichgültigkeit.
Unsere Seelen tun wohl und weise, daß sie sich sehnen nach
dem Nordwind der Trübsal, wenn das allein dazu mag geheiligt
werden, den angenehmen Duft unsrer Gnadentugenden
hervorzulocken. So lange nicht muß gesagt werden: ,,Der Herr war
nicht im Winde," dürfen wir nicht zusammenschrecken vor dem
winterlichsten Frosthauch, der je über die Gewächse der Gnade
hinfuhr. Hat sich die Braut in diesem Verse nicht demütig dem
Tadel ihres Freundes unterworfen? Sie bittet Ihn einzig um seine
Gnade. Ist sie nicht gleich uns über ihre unheilige Ruhe und
tödliche Erstarrung so ganz und gar bestürzt, daß sie sich nach
einer Heimsuchung innig sehnt, und danach seufzt, damit sie möge
zur kräftigen Tat erweckt werden? Und doch verlangt sie auch
nach dem erwärmenden Südwind des Trostes, nach dem lieblichen
Lächeln der göttlichen Liebe, nach der Freude in der Gegenwart
des Heilandes; denn dadurch werden wir oft mächtig aus dem
Schlummerleben aufgerüttelt. Sie sehnt sich nach dem einen oder
dem andern, oder nach beiden; nur daß sie möchte imstande sein,
ihren Freund zu erfreuen mit der Würze ihres Gartens. Sie kann
es nicht ertragen, daß sie soll müßig und untätig sein; auch
wir können's nicht. Wie lieblich ist doch der Gedanke, daß der
Herr Jesus ob unsern armseligen Gnadenblüten Wohlgefallen
empfinden kann? Ist das möglich? O, es ist fast zu schön, um
wahr zu sein. Ja, wir dürfen uns wohl nach Prüfungen der
Trübsal, nach dem Tode selber sehnen, wenn uns das dazu helfen
kann, unsers Immanuels Herz zu erheitern. Ach, daß unser Herz
doch zu Staub zermalmt würde, wenn durch dies Zerschlagen unser
geliebter Herr Jesus mag verherrlicht werden. Gnadengeschenke,
die nicht verwendet werden, sind wie der liebliche Duft, der im
Kelch der Blumen schlummert. Die Weisheit des großen Herrn und
Meisters überwacht und leitet die verschiedensten,
entgegengesetztesten Kräfte, damit sie zusammenwirken in dem
einen erwünschten Ziel; Er lockt durch Trübsal und Trost die
lieblichen Wohlgerüche des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung,
der Geduld, der Ergebung, der Freude und der andern herrlichen
Blumen des Gartens hervor. Möchten wir aus eigner innerer
Erfahrung wissen, was das bedeutet!