Hl 4,7
C.H.Spurgeon
,,Du bist allerdings schön, meine Freundin."
Hohel. 4, 7.
Es ist zum Staunen, wie der Herr seine Braut-Gemeinde bewundert;
seine Schilderung ihrer Schönheit ist warm und glühend. Sie ist
nicht nur schön, sondern allerdings schön. Er schaut sie in Ihm
selber, denn Er hat sie abgewaschen in seinem sündenversöhnenden
Blut und sie gekleidet in das Verdienst seiner Gerechtigkeit,
und Er schauet sie an, und rühmt sie, wie sie voller Anmut und
Lieblichkeit sei. Kein Wunder, daß dies also geschieht, weil Er
ja in ihr nur seine eigne Vortrefflichkeit bewundert; denn die
Heiligkeit, Herrlichkeit und Vollkommenheit seiner Gemeinde sind
nichts anders als seine eignen herrlichen Kleider, womit Er
seine innig geliebte Braut schmückt. Sie ist nicht nur rein und
wohlgestaltet; sie ist wahrhaft lieblich und schön! Sie hat
wirkliche Vorzüge! Ihre Sündenmängel sind völlig geheilt und
spurlos verschwunden; aber noch mehr, sie hat durch den Herrn
eine Gerechtigkeit voller Tugend empfangen, durch welche ihr
eine wirkliche Schönheit zu eigen geworden ist. Gläubige Seelen
haben eine tatsächliche Gerechtigkeit, die ihnen geschenkt
wird, wenn sie ,,angenehm gemacht sind in dem Geliebten." Auch
ist die Braut-Gemeinde nicht allein lieblich, sondern sie ist
über alles liebenswürdig. Ihr Herr nennt sie: ,,Du Schönste
unter den Weibern." Sie besitzt eine wahrhaftige Würde und
Herrlichkeit, die von keinem Adel und keinem königlichen Ansehen
der Welt erreicht wird. Wenn der Herr Jesus seine Braut gegen
alle Königinnen und Kaiserinnen der Erde vertauschen könnte, ja,
selbst gegen alle heiligen Engel im Himmel, Er würde es nicht
tun, denn sie zuerst und vor allem nennt Er die ,,Schönste
unter den Weibern." Sie ist der Mond, der alle Sterne
überstrahlt. Auch ist's nicht eine Ansicht, der Er sich schämt,
denn Er ruft alle Welt auf, daß sie es vernehmen solle. Er setzt
ein ,,Siehe" davor, einen besondern Ausruf der Bewunderung, der
die Aufmerksamkeit erregen und fesseln soll: ,,Siehe, meine
Freundin, du bist schön, siehe, schön bist du." Er bezeugt und
verkündigt schon jetzt seine Meinung, und einst wird Er vom
Throne seiner Herrlichkeit, herab es vor der ganzen versammelten
Welt bekräftigen. ,,Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters,"
wird seine feierliche Bestätigung der Schönheit und Lieblichkeit
seiner Auserwählten alsdann lauten, ,,ererbet das Reich, das
euch bereitet ist von Anbeginn der Welt."
C.H.Spurgeon
,,Und ist kein Flecken an dir."
Hohel. 4, 7.
Nachdem der Herr seine Brautgemeinde gepriesen und ihre
Schönheit bezeugt hat, bestätigt Er sein Lob noch durch eine
köstliche Bewahrung gegen jeden Tadel: ,,Und ist kein Flecken an
dir." Gleichsam als ob dem Freunde der Gedanke durch den Sinn
gegangen wäre, die argwöhnische Welt könnte vermuten, Er hätte
nur ihre Reize beschrieben, aber alles mit Stillschweigen
übergangen, was etwa Fehlerhaftes oder Tadelnswertes an ihr zu
finden wäre. Darum faßt Er alles in das Lob ihrer
unübertrefflichen, tadellosen Schönheit und in die Abwehr auch
des allerleisesten Tadels zusammen. Ein Flecken kann leicht
beseitigt werden, und stört am allerwenigsten von allen Mängeln
den vollen Genuß der Schönheit, aber auch von diesem leisen Tadel
ist der Gläubige in den Augen seines Herrn frei. Wenn Er gesagt
hätte, es ist keine häßliche Runzel, keine entstellende
Mißgestalt, keine tödliche Eiterbeule an ihrem ganzen Wesen, so
wäre das schon genug gewesen, um unsre ganze Bewunderung zu
reizen; wenn Er aber bezeugt, daß sie auch vom allergeringsten
Flecken frei ist, so sind alle jene gröbern Ursachen des Tadels
zum voraus ausgeschlossen, und die Größe der Bewunderung wird
noch erhöht. Wenn Er verheißen hätte, Er wolle nach und nach
alle Flecken beseitigen, so hätten wir in alle Ewigkeit Ursache
zur Freude gehabt; wenn Er aber davon spricht als von etwas
schon Geschehenem, wer könnte da noch den lebhaftesten
Empfindungen der Wonne und höchsten Befriedigung widerstehen? O,
meine Seele, hier ist Mark und Fett für dich; iß dich satt, und
erlabe dich an königlichen Leckerbissen.
Jesus Christus hat keinen Streit mit seiner Brautgemeinde. Sie
irrt oft von Ihm ab und betrübt seinen Heiligen Geist, aber
Er läßt nicht zu, daß ihre Fehler seine Liebe beeinträchtigen. Er
straft zuweilen, aber stets nur in der liebevollsten Weise, in
der gütigsten Absicht; sie heißt auch dann noch stets: ,,Meine
Freundin." Er gedenkt unsrer Torheiten nie, Er hegt keine argen
Gedanken von uns, sondern Er vergibt und liebt nach der
Beleidigung ebenso herzlich, wie vorher. Wie gut ist's doch für
uns, daß es so ist, denn wenn der Herr Jesus so hartnäckig an
jede Beleidigung gedächte, wie wir, wie könnte Er uns noch lieb
haben? Manchmal übernimmt den Gläubigen ob seiner schweren
Lebensführung der Unmut, aber unser lieber Herr kennt unser
albernes Herz zu gut, als daß Er sich durch unsre Unarten
erzürnen ließe.