Hohelied

Hl 1,6 S.Keller Hohelied 1, 6: «Sehet mich nicht an, daß ich so schwarz bin, denn die Sonne hat mich so verbrannt.»

Die anderen nennen die Braut des Königs "die Schönste unter den Frauen" - und sie selbst denkt so gering von ihrer Schönheit, daß sie hier bittet: "Seht mich nicht an, daß ich so schwarz bin." Ist das falsche Demut? Oder nicht viel mehr ein geschärfter Blick, daß sie, die gewohnt war, daß des Königs Blick prüfend und hebend auf ihr ruhte, jetzt sich bewußt war, daß die Weinbergsarbeit in der Sonnenglut sie schwarz gebrannt? Ja, die schwerste Arbeit für den Herrn ist nicht nur eine selige Sache, sondern sie hat auch ihre Gefahren. In der Hast und Hitze, mit der man vielleicht an anderen Seelen gearbeitet hatte, kann die eigene Seele Not leiden. "Sie haben mich zur Hüterin der Weinberge gesetzt, aber meinen eigenen Weinberg habe ich nicht gehütet!" Je eifriger an der Arbeit an andern, desto achtloser gegen die Gefahren, die der eigenen Seele drohen. Haben wir davon denn nichts an uns selbst erlebt, daß die stille Sammlung und Vertiefung Not litt, daß wir uns mit äußeren Erfolgen für die innere Verarmung schadlos hielten? Wer das merkt, der muß in die Stille gehen. Denn bevor man es selbst merkt, haben es andere, hat es jedenfalls der Herr schon gemerkt, daß die Farben im Angesicht seiner Geliebten sich veränderten.

Aber, du hast uns doch lieb! Herr Jesus, um deiner Liebe willen erbarme dich unser, daß wir nicht anderen predigen und selbst verwerflich werden. Heilige uns, mach uns still und klar, daß du dich spiegeln kannst in unseren Seelen. Amen.





Ch.Spurgeon Seht mich nicht an, weil ich so schwärzlich bin, weil die Sonne mich verbrannt hat! Hohelied 1,6

Ich möchte nun zu denen reden, die im Werk des Herrn arbeiten. Liebe Brüder, mit unserem Lebenswerk sind gewisse Übel verbunden, die von der Sonne herrühren, die uns bescheint, Übel, die wir vor unserem himmlischen Vater bekennen sollten. Ich habe manche gekannt, welche die Sonne in dieser Hinsicht verbrannt hat; ihr Eifer hat sich durch Mißerfolg abgekühlt. Du zogst zuerst voll Feuer und Leben aus und hattest die Absicht, die Gemeinde vor dir herzuschieben und die Welt dir nachzuziehen. Vielleicht dachtest du, wie Luther ein Werk der Reformation zustande zu bringen. Vieles dabei war fleischlich, aber unter der Oberfläche war doch ein ernster Eifer für Gott, der dich erfüllte. Aber du mischtest dich einige Jahre unter Christen, die sehr kühl waren. Ist dabei nicht die geistliche Temperatur deiner Seele gesunken? Vielleicht hast du nicht viele Bekehrungen gesehen. Fühlst du, daß du kalt wirst? Vielleicht bist du mit der Zeit tadelsüchtig und kritisch geworden, so daß du, wo du dich früher wunderbar erbautest, heute nur noch den Botschafter richtest. Vielleicht hast du auch in anderer Weise gelitten. Des Christen Wandel sollte ruhig, friedlich, ungetrübt sein. Unser Friede sollte sein wie ein Wasserstrom. Aber ihr wißt, daß, wenn es im Dienst Gottes viel zu tun gibt, wir der starken Versuchung ausgesetzt sind, diese oder jene Angelegenheit mit ungebührlicher Hast zu betreiben. Wenn nicht alles so schnell vorwärtsgeht, wie ihr es wünscht, dann ist die Versuchung groß, traurig zu sein und sich wie Martha viel Sorge und Mühe zu machen. Wenn ihr in diesen Zustand geratet, so ist das ein Schaden für euch selbst und euer Werk. Diejenigen dienen Christus am besten, die den Umgang mit ihm pflegen; denn unterbrochene Gemeinschaft bedeutet unterbrochene Kraft. Dies ist oft unser Kummer; unsere Kräfte werden mehr durch Angst und Sorge als durch Arbeit verzehrt. Wieviel wird durch unerwartete Sorgen vernachlässigt, die uns unentwegt umtreiben.





Ch.Spurgeon "Meinen eigenen Weinberg hütete ich nicht!" Hohelied 1,6

Ich las vor einiger Zeit von einem Mann, dessen Pflicht es war, Reisende über die erhabenen Pässe der Schweiz zu führen und sie auf die Schönheit der Seen, Ströme und Gletscher aufmerksam zu machen.

Während dieser Mann seines Amtes waltet, kommt er dahin, seine Beschreibungen ständig zu wiederholen, ohne selbst etwas Besonderes dabei zu empfinden. Vielleicht war es aufrichtige Liebe zu dem Schönen gewesen, die ihn bewogen hatte, den Beruf eines Führers zu erwählen. Aber nachdem er jahraus, jahrein Hunderten von Reisenden dieselben Herrlichkeiten gezeigt und die wunderbaren Schönheiten gerühmt hatte, war er mit der Zeit eine bloße Maschine geworden. Seine einst so begeisterte Schilderung wurde zu einem eintönigen Geschwätz.

Jeder Arbeiter für den Herrn sollte dieses Gleichnis auf sich anwenden, weil die Gefahr der Selbstgefälligkeit auch für ihn da ist. Indem du andere berätst, hältst du dich für weise; indem du andere warnst, fühlst du dich sicher. Du fingst das Werk mit Eifer, mit dem Fieber der Begeisterung an - wie wirst du es fortsetzen? Es besteht die Gefahr, mechanisch zu werden, anderen gegenüber heilige Worte zu gebrauchen, ohne daß in deiner Seele die entsprechenden Empfindungen vorhanden sind.

Liebe Freunde, hütet euch, die Bibel für andere zu lesen. Nehmt eure Texte aus der Bibel als eure eigene Nahrung, seid nicht damit zufrieden, eine Predigt darüber zu machen. Nährt euch von dem Wort Gottes, sonst könnt ihr euren eigenen Weinberg nicht hüten. Wenn ihr im Gebet auf den Knien liegt, vergeßt nicht, für andere zu beten; aber pflegt auch das private Gebet zu eurer eigenen Erbauung und zu eurem Wachstum in der Gnade. Predigt nicht über die Kraft des Blutes Jesu, ohne daß man bei euch etwas von der Kraft dieses erlösenden Blutes merkt. Redet nicht von dem Wasser, ohne euch selbst zu waschen. Weiset nicht auf den Himmel hin, während ihr ihm den Rücken zuwendet und auf dem Weg zur Hölle seid. Habt acht auf euch selbst, damit ihr nicht anderen predigt und selbst verwerflich werdet!





W.MacDonald »... sie bestellten mich zur Hüterin der Weinberge; meinen eigenen Weinberg habe ich nicht gehütet.« Hohelied 1,6b

Die Brüder der Sulamith hatten sie zur Arbeit in den Weinberg geschickt. Sie war so mit der Pflege der Weinstöcke beschäftigt, daß sie ihren eigenen Weinberg vernachlässigte, d.h. ihre persönliche Erscheinung. Ihre Haut wurde von der Sonne verbrannt und ausgetrocknet, und zweifellos war auch ihr Haar zerzaust.

Es besteht immer die Gefahr, unseren eigenen Weinberg zu vernachlässigen, indem wir uns zu sehr mit dem eines anderen beschäftigen. Da ist z.B. die Gefahr, daß wir von der Evangelisierung der Welt so sehr in Anspruch genommen werden, daß wir unsere eigene Familie verlieren. Wenn Gott uns Kinder schenkt, dann sind diese Kinder unser Missionsfeld Nummer eins. Wenn wir einmal vor dem Herrn stehen, wird es eine unserer größten Freuden sein, sagen zu können: »Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir gegeben hat« (Hebräer 2,13). Alle Anerkennung einer dankbaren Zuhörerschaft kann den Verlust unserer eigenen Söhne und Töchter nicht aufwiegen.

Aus der Schrift wird deutlich, daß Verantwortung immer zu Hause beginnt. Nachdem der Herr Jesus aus dem Gadarener die Dämonen ausgetrieben hatte, gebot er ihm: »Gehe hin nach deinem Hause zu den Deinigen und verkünde ihnen, wieviel der Herr an dir getan, und wie er sich deiner erbarmt hat« (Markus 5,19). Es scheint oft, daß uns unser Hinterhof das schwierigste Evangelisationsfeld ist, aber gerade da sollten wir anfangen. Auch als der Herr Seinen Jüngern den Missionsbefehl gab, sagte Er: »... sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde« (Apostelgeschichte 1,8). Sie sollten in Jerusalem anfangen (was zu dieser Zeit ihre Heimatstadt war)!

Andreas war entschlossen, seinen eigenen Weinberg nicht zu vernachlässigen. Wir lesen von Ihm: »Dieser findet zuerst seinen eigenen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, (was verdolmetscht ist: Christus)« (Johannes 1 ,41).

Zweifelsohne gibt es Fälle, wo ein Gläubiger sich treu bemüht, seine Angehörigen für Christus zu gewinnen, und dennoch beharren sie auf ihrem Unglauben. Wir können die ewige Errettung unserer Verwandten und Bekannten nicht garantieren. Aber wovor wir uns hüten sollten, ist die Gefahr, daß wir so sehr mit dem Dienst an anderen beschäftigt sind, daß wir den Kreis unserer Familie vernachlässigen. In solchen Fällen sollte unser eigener Weinberg die erste Dringlichkeitsstufe haben.