Hl 1,4
C.H.Spurgeon
,,Wir freuen uns und sind fröhlich über Dir."
Hoh. 1, 4.
Wir freuen uns und sind fröhlich über Dir! Nicht für die
Trauerklänge der Posaune, nein, sondern für die lieblichen
Harfentöne der Freude, für die laut schallenden Zimbeln des
Jubels wollen wir die Pforten eines neuen Jahres weit auftun.
,,Kommet herzu, lasset uns dem Herrn frohlocken und jauchzen dem
Hort unsers Heils; laßt uns mit Danken vor sein Angesicht kommen,
und mit Psalmen Ihm jauchzen." Wir, die Berufenen und Gläubigen
und Auserwählten, wir lassen alle unsre Sorgen hinter uns
zurück; und ,,im Namen unsers Gottes werfen wir Panier auf."
Andre mögen klagen und jammern ob ihrer Trübsal, wir aber legen
den heilkräftigen, versüßenden Baum in die bittern Wasser des
Marasumpfes und loben den Herrn mit Freuden. Ewiger, Heiliger
Geist, wahrhaftiger Tröster, der Du in uns als in Deinen Tempeln
wohnest, nie wollen wir aufhören, den Namen Jesu zu loben und
zu preisen. Wir wollen, das ist unser fester Entschluß, daß
Jesus die Krone unsrer Herzenswonne empfange; wir wollen unsern
Bräutigam nicht verunehren mit Trauern vor seinem Angesicht.
Wir sind berufen zu himmlischen Sängern, so wollen wir denn die
himmlischen Dankchöre fleißig einüben, ehe wir sie in den Hallen
des neuen Jerusalems erschallen lassen. Wir freuen uns und sind
fröhlich; zwei Wörter von gleichem Inhalt, doppelte Freude,
Wonne über Wonne. Was hindert's, daß wir nicht jetzt schon uns
im Herrn freuen allewege? Ist nicht der Herr seinen Begnadigten
Narden mit Safran, Kalmus und Einnamen schon hienieden; und
welch bessre Würze böte ihnen der Himmel selbst? Wir freuen uns
und sind fröhlich über Dir. Dies letzte Wort ist das Gericht auf
der Schüssel, der Kern in der Schale, der Geist in der Schrift.
Welche Himmelsgüter sind in Jesu vereinigt! Welche Ströme
unendlichen Segens haben ihre Quelle in Ihm und empfangen jeden
Tropfen ihrer Fülle aus Ihm. Weil Du denn, Du süßer Herr Jesu,
Deines Volkes Teil bist, so erquicke uns in diesem Jahre mit
einem solchen Gefühl Deiner Gnadenfülle, daß wir vom ersten bis
zum letzten Tage uns freuen und fröhlich seien über Dir! Der
erste Monat eröffne den Jahresreigen mit Freude im Herrn, der
letzte schließe mit Wonne in Jesu!
C.H.Spurgeon
,,Wir gedenken an Deine Liebe mehr, denn an den Wein."
Hohel. 1, 4.
Jesus will den Seinen seine Liebe nicht in Vergessenheit geraten
lassen. Wenn all die Liebe, die sie genossen haben, vergessen
sein sollte, dann will Er sie mit neuer Liebe heimsuchen.
,,Vergissest du mein Kreuz?" spricht Er. ,,Ich will dir die
Erinnerung daran erneuern; denn an meinem Tische will ich mich
dir aufs neue bezeugen. Hast du vergessen, was ich an dir getan
habe im ewigen Rat der Gerechtigkeit? Ich will dich daran
erinnern, denn du brauchst einen Fürsprecher, und ich werde bei
dir stehen, wenn du meiner bedarfst." Mütter sorgen, daß ihre
Kinder sie nicht vergessen. Wenn der Sohn nach Australien
gegangen ist, und nicht heimschreibt, dann schreibt die Mutter
ihm: ,,Hast du, mein Sohn, deine Mutter vergessen?" Dann erfolgt
ein liebevoller Brief, zum Beweis, daß die zärtliche Erinnerung
nicht umsonst war. So verhält sich's mit dem Herrn Jesu; Er
spricht zu uns: ,,Gedenke mein," und unsre Antwort lautet: ,,Wir
gedenken an Deine Liebe." Wir gedenken an Deine Liebe und ihre
unvergleichliche Geschichte. Sie ist so alt wie die
Herrlichkeit, die Du hattest bei dem Vater, ehe denn die Welt
war. Wir gedenken, o Herr Jesu, an Deine ewige Liebe, da Du der
Bürge für uns wardst, und uns Dir anvertrauet hast als Deine
Braut. Wir gedenken an die Liebe, die Dich zum Opfer für uns
dahingab, an die Liebe, welche bis zur Erfüllung der Zeit über
dies Opfer nachdachte und sich nach der Stunde sehnte, von
welcher im Buche von Dir geschrieben steht: ,,Siehe, ich komme."
Wir gedenken an Deine Liebe, o Jesu! wie sie sich uns
geoffenbart hat in Deinem heiligen Leben, von der Krippe in
Bethlehem an bis zum Garten Gethsemane. Wir begleiten Dich von
der Krippe bis zum Grabe, denn jedes Deiner Worte und jede
Deiner Taten war Liebe, und wir freuen uns Deiner Liebe, die
der Tod nicht auslöscht; Deiner Liebe, die so herrlich strahlt
in Deiner Auferstehung. Wir gedenken an jenes brennende Feuer
der Liebe, das Dir weder Rast noch Ruhe läßt, bis daß alle Deine
Auserwählten selig daheim sind bei Dir, bis Zion verherrlicht
ist, und Jerusalem gegründet auf ihren ewigen Gründen voll Licht
und Liebe, im Himmel.
C.H.Spurgeon
,,Die Frommen lieben Dich."
Hohel. 1, 4.
Gläubige Seelen lieben den Herrn Jesum mit innigerer Zuneigung,
als sie irgend einem andren Wesen angedeihen lassen. Lieber
möchten sie Vater und Mutter verlieren, als Christum verlassen.
Alle vergänglichen Freuden und allen irdischen Besitz halten sie
nur locker in der Hand; Ihn aber tragen sie fest verwahrt in
ihrem Busen. Gern verleugnen sie sich selbst um seinetwillen,
aber nichts kann sie dazu bringen, Ihn zu verleugnen. Das ist
eine schwache Liebe, die vom Feuer der Verfolgung kann verzehrt
werden; des wahrhaft Gläubigen Liebe ist ein viel zu tiefer
Strom, als daß die Hitze der Trübsal ihn könnte austrocknen. Die
Welt hat versucht, die Treuen im Lande von ihrem Herrn und
Meister abzuziehen, aber ihre Anstrengungen sind zu allen Zeiten
fruchtlos geblieben. Weder Ehrenkronen noch Zornesblicke haben
je diesen festgeknüpften Knoten zu lösen vermocht. Das ist keine
Alltagsneigung, denn sonst wäre sie schon längst unter dem
stürmischen Andrang des Weltgetümmels zusammengebrochen. Weder
Mensch noch Teufel haben einen Schlüssel gefunden, der dies
Schloß öffnet. Noch nie ist Satans List ärger zuschanden
geworden, als wenn er versucht hat, diese Vereinigung zweier
göttlich verschmolzenen Herzen aufzulösen. Es steht fest: ,,Die
Frommen lieben Dich." Die Innigkeit der Liebe der Frommen darf
jedoch nicht sowohl danach beurteilt werden, wie sie erscheint,
sondern danach, was sie nach dem Verlangen der Frommen sein
sollte. Täglich seufzen wir darüber, daß wir nicht stärker
lieben können. Ach, daß doch unsre Herzen imstande wären, mehr
Liebe in sich zu fassen, und weiter zu werden. Mit einem teuren
Gottesmann seufzen wir und rufen wir aus: ,,O, daß ich doch
Liebe hätte, die um die ganze Erde reichte, und alle Himmel
umspannte, ja, aller Himmel Himmel und zehntausend Welten, und
daß ich sie dann ganz ausgießen könnte auf den lieben, lieben,
einzig lieben Jesus." Ach! unser weitestes Umfangen ist nur eine
Spanne Liebe, und unsre innigste Anhänglichkeit ist nur ein
Tropfen im Eimer im Vergleich mit seinem Wert. Wenn unser Wunsch
das Maß unsrer Liebe wäre, o, dann wäre sie schon groß; und
gewiß, wir dürfen's hoffen, Gott sieht's so an. Ach, daß wir
doch alle Liebe aller Herzen in ein einziges großes Maß
zusammenfassen könnten, um diese Summe aller Liebesempfindung
Ihm darzubringen, der so ganz lieblich ist, ja, ganz lieblich!
Ch.Spurgeon
"Ziehe mich dir nach, so laufen wir!" Hohelied 1,4
Herr, ich möchte gern zu dir kommen, aber gleich Mephiboseth
bin ich an beiden Füßen lahm. Ich möchte gern zu dir
hinfliegen; aber wenn ich überhaupt je Flügel gehabt habe,
so sind sie zerbrochen. Ich kann nicht zu dir kommen. Ich
liege wie tot und völlig kraftlos da. Es ist eine milde,
huldvolle, aber mächtige Erweisung der göttlichen Kraft, die
ich nötig habe und erflehe. Ich sage nicht: "Treibe mich!",
sondern: "Herr, ziehe mich!" Ich sage nicht: "Wirf mich
hierhin und zwinge mich, dorthin zu gehen!", sondern: "Herr,
komme und ziehe mich!" Während du mich ziehst, bleibt mir die
Freiheit zu laufen; ziehe mich, wir werden dir nachlaufen.
Wir haben nicht mehr nötig, von neuem geboren zu werden; an
uns, die wir an Christus glauben, ist dieses Wunder bereits
geschehen. Wir bitten nicht um Vergebung und Rechtfertigung;
als Gläubige besitzen wir diese unschätzbaren Gaben schon.
Was wir nötig haben, ist das Wirken des Heiligen Geistes,
uns näher zu Christus zu bringen, und darum rufe ein jeder
den Herrn an: "Ziehe mich!" Wir sind nicht tot; wir sind
auferweckt und lebendig gemacht worden; unsere Trauer
darüber, daß wir nicht so nah zu Christus kommen können,
wie wir es gern möchten, beweist, daß wir lebendig sind.
Beachtet, daß dieser Vers sagt: "Ziehe mich dir nach, so
laufen wir!" Mir gefällt der Wechsel der Fürwörter. Es ist,
als ob ich beten sollte: "Herr, ziehe mich! Ich bin unter
deinen Kindern in dieser Versammlung das schwerfälligste;
aber ziehe mich. Wir wollen dir nachlaufen. Alle meine
Brüder und Schwestern werden sogleich laufen, wenn du mich
ziehst. In himmlischen Dingen sei schnell, meine Seele!
Langsames Vorwärtskommen ist nur in deinem weltlichen
Beruf erlaubt. Aber deinem Herrn mußt du nachlaufen!"