Pred 9,4
C.H.Spurgeon
,,Ein lebendiger Hund ist besser als ein toter Löwe."
Pred. 9, 4.
Das Leben ist etwas Köstliches, und auch in seiner armseligsten
Gestalt ist es dem Tode vorzuziehen. Diese Wahrheit ist im
geistlichen Sinne von unendlicher Bedeutung. Es ist besser, im
Himmelreich der Letzte zu sein, als außer demselben der Größte.
Der niedrigste Grad der Gnade ist weit vorzüglicher, als die
höchste Entwicklung der unwiedergebornen Natur. Wo der Heilige
Geist einer Seele das göttliche Leben eingepflanzt hat, da ist
ein köstlicher Schatz, welchem die trefflichste Erziehung nicht
das Wasser zu bieten vermag. Der Schächer am Kreuz überstrahlt
den mächtigen Cäsar auf seinem Thron; Lazarus, den Hunde
umgeben, ist besser als Cicero im Rat der Senatoren; und der
ungebildetste Christ steht in den Augen Gottes über Plato. Das
Leben ist im Reich des geistlichen Daseins der wahre Adelsbrief,
und Menschen, die ihn nicht besitzen, sind nur gröbere oder
feinere Stücke eines toten Stoffes, welcher der Belebung bedarf;
denn sie sind tot in Übertretung und Sünden.
Eine lebendige, liebedurchglühte, evangelische Predigt, und wäre
sie noch so einfach an Inhalt und noch so kunstlos in der Form,
ist besser als die kunstgerechteste Rede, der's an Salbung und
Kraft, der Überzeugung fehlt. Ein lebendiger Hund hält besser
Wache als ein toter Löwe und ist seinem Herrn von größerem
Nutzen; und so ist der Geringste an Begabung, der das Evangelium
in der Kraft des Geistes verkündigt, besser als der
ausgezeichnetste Redekünstler, der nur Wortweisheit besitzt und
nur die Macht des Wortschwalls kennt. Dasselbe gilt von dem Wert
unsrer Gebete und andrer Übungen der Gottseligkeit; wenn wir
dabei vom Heiligen Geist belebt und angeregt sind, so sind sie
Gott angenehm durch Jesum Christum, ob wir sie gleich unwürdig
achten, während unsre größten Anstrengungen in geistlichen
Dingen, denen aber unser Herz fremd bleibt, dem toten Löwen
gleichen und in den Augen Gottes nur Leichname sind. Ach, daß
sich doch lebendige Seufzer, lebendige Schmerzen, lebendiges
Zittern der Angst in uns regte, statt lebloser Loblieder und
toten Friedens. Alles besser als der Tod. Welchen größern Fluch
kann man sich denken, als toten Glauben und totes Bekenntnis?
Mache uns lebendig, ja, lebendig, o Herr!