Prediger

Pred 7,18 S.Keller Pred. 7, 18: «Es ist gut, daß du dies fassest und jenes auch nicht aus der Hand lässest.»

Gegensätze, Spannungen müssen da sein, sonst gäbe es hier kein Leben. Gäbe es nicht ein Abstoßen und Anziehen im Weltraum, so lägen die Weltkörper tot im ewigen Gleichgewicht aufeinander. Gäbe es keine Gegensätze, kein Voneinander-Wegstreben und Einander-Wiedersuchen, wäre jede Ehe, jede Freundschaft, jeder Verkehr höchst langweilig. Kann man dasselbe Gesetz nicht auch auf unsere Erdenbeziehungen zu Gott anwenden? Könnte kein Mensch zweifeln, wäre jedes göttliche Geheimnis für den Menschenverstand so durchsichtig wie der Satz, daß zweimal zwei vier ist, dann hätte der Glaube keine Kraft, keine Leidenschaft, keinen Kampf, keinen Sieg. Darum darf Gottes Weltregierung uns nicht vorkommen wie das Abhaspeln von simplen Naturgesetzen; darum kommen wir aus den Versuchungen zum Irrewerden an seinen Wegen nicht heraus. Es bleibt dabei: das höchste Glück darf kein garantierter Besitzschein sein, der mühelos in der Schublade liegend Zinsen trägt, sondern es gibt ein Wetten und Wagen, ein Ringen und Mühen, und nur die dem Himmelreich Gewalt tun, dringen hinein und reißen es an sich.

Herr, unser Gott, du hast uns so angelegt, daß wir dich suchen müssen, und hast dich doch dabei hinter der Oberfläche so gut verborgen, daß die Sehnsucht glühend heiß werden muß und das Verlangen stärker als alle Hemmungen. Dann aber laß dich finden, daß unsere Seele jauchze über dir! Amen.