Spr 18,24
W.MacDonald
»Ein Mann, der Freunde hat, muß sich freundlich erzeigen.«
Sprüche 18,24
Obwohl alle heutigen Übersetzungen diesen Vers anders
wiedergeben, enthält er in der alten Bibelübersetzung hier
doch die kostbare Wahrheit, daß Freundschaften gepflegt
werden müssen. Sie gedeihen bei sorgfältiger Pflege, gehen
aber durch Vernachlässigung zugrunde.
Ein Artikel in »Entscheidung« sagte: »Freundschaften
ereignen sich nicht einfach, sie müssen gepflegt werden -
kurz, wir müssen an ihnen arbeiten. Sie bauen sich nicht auf
bloßem Nehmen auf, ihr Fundament ist das Geben. Sie sind
nicht nur für gute Zeiten da, sondern auch für schlechte.
Wir verbergen unsere Nöte nicht vor einem wahren Freund.
Ebensowenig halten wir uns allein deswegen zu einem Freund,
um seine Hilfe zu erfahren.«
Ein guter Freund ist es wert, daß man ihn bewahrt. Er steht
an unserer Seite, wenn wir fälschlich angeklagt werden. Er
sagt uns, was immer an uns lobenswert ist, aber weist auch
offen auf die Punkte bei uns hin, die der Verbesserung
bedürfen. Er bleibt über die Jahre hinweg mit uns in
Verbindung und teilt unsere Freuden und Leiden.
Das ist wichtig - in Verbindung bleiben. Das kann durch
Briefe, Karten, Telefonanrufe, Besuche geschehen. Aber
Freundschaft ist keine Einbahnstraße. Wenn ich auf Briefe
nie antworte, sage ich damit, daß ich die Freundschaft nicht
für fortsetzungswürdig halte. Ich bin zu beschäftigt.
Oder ich will nicht gestört werden. Oder mir liegt
Briefeschreiben nicht. Nur wenige Freundschaften können
trotz längerer Vernachlässigung überleben.
Unser Verzicht, eine Verbindung aufzunehmen oder zu erhalten,
ist oft eine Form von Selbstsucht. Wir denken an uns selbst,
an die Zeit, die Energie und die Kosten, die wir investieren
müßten. Wahre Freundschaft denkt an andere - wie wir sie
ermutigen oder trösten oder aufmuntern oder ihnen helfen
können; wie wir ihnen geistliche Nahrung vermitteln können.
Wieviel verdanken wir Freunden, die mit dem vom Geist
gegebenen Wort vorbeikamen, als wir es am meisten brauchten!
Es gab eine Zeit in meinem Leben, als ich mich sehr elend
fühlte wegen einer tiefen Enttäuschung im Dienst für den
Herrn. Eine Freundin, die von meiner Entmutigung nichts
wissen konnte, schrieb mir einen aufmunternden Brief, in
welchem sie Jesaja 49,4 zitierte: »Ich aber sagte: Umsonst
habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft
verbraucht. Doch mein Recht ist bei dem Herrn, und mein Lohn
bei meinem Gott.« Es war genau das Wort, das ich brauchte,
um mich aufzurichten und wieder zurück zur Arbeit zu bringen.
Charles Kingsley schrieb: »Können wir einen Freund
vergessen, können wir ein Gesicht vergessen, das uns im Blick
auf das Ziel ermuntert, das uns zum Lauf angefeuert hat?
Wie tief stehen wir in der Schuld solch gottesfürchtiger
Seelen! Selbst wenn wir könnten, wollten wir so etwas nie
vergessen.« Die meisten von uns haben nur einige wenige
Freunde im Leben. Weil dem so ist, sollten wir alles in
unserer Kraft Stehende tun, um diese Freundschaften stark
und gesund zu erhalten.
W.MacDonald
»Mancher Freund ist anhänglicher als ein Bruder.«
Sprüche 18,24b
Die Freundschaft Jesu ist ein Thema, das immer und überall in
den Herzen des Volkes Gottes ein warmes Echo hervorruft. Als
Er auf der Erde lebte, wurde Er verlacht als »ein Freund der
Zöllner und Sünder« (s. Matthäus 11,19), aber die Christen
nahmen diesen Spottnamen auf und verwandelten ihn in einen
Ehrentitel.
Bevor unser Herr ans Kreuz ging, nannte er Seine Jünger
»Freunde«. Er sagte: »Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut,
was ich euch gebiete. Ich nenne euch nicht mehr Sklaven,
denn der Sklave weiß nicht, was sein Herr tut; euch aber habe
ich Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater
gehört, euch kundgetan habe« (Johannes 15,14.15).
Einige von unseren beliebtesten Liedern nehmen dieses Thema
wieder auf, beispielsweise: »Welch ein Freund ist unser
Jesus.«
Warum ruft die Freundschaft, die Jesus uns entgegenbringt,
solch eine besondere Reaktion in uns hervor? Ich denke, der
erste Grund dafür ist, daß viele Menschen sehr einsam sind.
Sie sind möglicherweise von vielen Leuten umgeben, aber nicht
von Freunden. Oder sie sind weitgehend von dem Umgang mit
anderen abgeschnitten. Das ist oft der Fall bei älteren
Leuten, die die meisten ihrer Freunde und Bekannten überlebt
haben.
Einsamkeit ist grausam. Sie ist schlecht für den
körperlichen, seelischen und geistigen Gesundheitszustand
eines Menschen. Sie nagt an seiner Durchhaltekraft, macht
ihn nervös und verleidet ihm die Lust am Leben. Oft treibt
sie die Menschen zur Gleichgültigkeit und Verzweiflung,
so daß sie schließlich bereit sind, sich auf die Sünde
einzulassen oder sich in andere unvernünftige Abenteuer zu
stürzen. Für solche Leute ist die Freundschaft Jesu wie der
heilende Balsam des Landes Gilead.
Ein anderer Grund dafür, daß Seine Freundschaft so hoch
geschätzt wird, ist die Tatsache, daß sie uns nie im
Stich läßt. Menschliche Freunde enttäuschen uns oft oder
verschwinden allmählich aus unserem Leben, aber dieser Freund
erweist sich als treu und standhaft.
Wenn irdische Freunde uns verlassen,
Uns an einem Tag lieben, an nächsten hassen,
Wird dieser Freund uns doch stets fassen.
O, wie Er liebt!
Jesus ist der Freund, der uns näher steht als ein
Bruder. Er ist der Freund, der uns zu jeder Zeit liebt
(s. Sprüche 17,17).
Die Tatsache, daß der Herr Jesus nicht körperlich bei uns
anwesend ist, setzt der Wirklichkeit Seiner Freundschaft
keinerlei Grenzen. Durch Sein Wort spricht Er zu uns, und im
Gebet reden wir mit Ihm. Auf diese Art ist Er ganz real bei
uns als der Freund, den wir nötig haben. Und auf diese Weise
erhört Er dann auch das Gebet:
»Herr Jesu, - mach Du selbst Dich mir
Zu einer lebendigen, hellen Realität.
Werde Du mir
Mehr und mehr gegenwärtig,
Um Dich im Glauben schärfer wahrzunehmen
Als irgendeinen irdisch-sichtbaren Gegenstand.
Sei du mir lieber, enger, näher
Als irgendein - sei es das engste, nah'ste irdisches Band.«