Ps 143,6
S.Keller
Psalm 143, 6: «Ich breite meine Hände aus zu dir; meine Seele
dürstet nach dir, wie ein dürres Land.»
Dieses Wort gibt eine Stimmung wieder, die mehr als Stimmung
ist und die keinem Gotteskinde unbekannt sein dürfte. Gerade
weil wir Jesu Nähe und Liebe kennengelernt haben, ist uns der
Eindruck unerträglich, daß sich irgendein störendes Etwas
zwischen uns und ihn gedrängt habe. Zeigt unser Gewissen uns
eine bestimmte Schuld oder Untreue von unserer Seite, so wird
das Gebet noch nicht helfen; zuerst muß eine Tat geschehen,
die unsere Verschuldung wett macht, soweit das in unserer
Macht steht. Zu gleicher Zeit setzt aber die Sehnsucht
sich um in solches Seufzen. Sei du mir nur nicht länger
schrecklich, du meine Zuflucht in der Not. Nichts in der
Welt kann uns über den gefühlten Mangel hinwegtrösten. Keine
Selbstberuhigung, keine Arbeit, keine Andachtsübung täuscht
über diese Leere hinweg. Wir müssen ihn selber wieder haben,
und seine Nähe muß uns wieder fühlbar klar werden. Wie
dürres Land sich mit dem Schatten einer Wolke nicht zufrieden
geben kann, sondern wirklichen, tief feuchtenden Regen
dringend erheischt, wenn nicht alles zugrunde gehen soll,
so wächst das Verlangen unseres Herzens buchstäblich zu dem
Schrei aus, den der Psalmist geprägt hat:
Herr Jesus, ich breite meine Hände aus zu dir. Meine Seele
dürstet nach dir wie ein dürres Land. Amen.