Ps 139,17
C.H.Spurgeon
,,Wie köstlich sind vor mir, Gott, Deine Gedanken."
Ps. 139, 17.
Gottes Allwissenheit gewährt dem Gemüte des Gottlosen keinen
Trost, aber dem Kinde Gottes spendet sie Ströme von süßer
Zuversicht. Gott denkt allezeit an uns, Er wendet sein Gemüt nie
von uns ab, Er hat uns beständig unter seinen Augen; und das ist
es gerade, was wir brauchen, denn es wäre schrecklich, wenn wir
auch nur einen Augenblick von der Obhut unsers himmlischen
Vaters ausgeschlossen wären. Seine Gedanken sind immer zärtlich,
liebevoll, weise, umsichtig, fernblickend, und sie gewähren uns
unsägliche Segnungen: darum ist es eine auserwählte Freude,
darüber nachdenken zu dürfen. Der Herr hat stets seine Gedanken
auf sein Volk gerichtet gehabt: daher ihre Erwählung und der
Gnadenbund, durch welchen ihre Erlösung besiegelt wird; Er wird
ihrer auch stets eingedenk bleiben: daher ihr Beharren bis ans
Ende, dadurch sie wohlbewahrt zu ihrer letzten Ruhe eingehen
dürfen. In all unsern Verirrungen ist der wachsame Blick des
ewigen Hüters unabwendbar auf uns gerichtet, wir können uns nie
aus des guten Hirten Aufsicht verlieren. In unsern Ängsten
beobachtet Er uns unausgesetzt, Ihm entgeht auch kein einziger
Seufzer; in all unserm Streit achtet Er auf unser Ermatten und
verzeichnet in seinem Buch jeden Kampf seiner Getreuen. Diese
Gedanken des Herrn begleiten uns auf allen unsern Wegen und
durchdringen unser innerstes Wesen. Kein Nerv und kein Muskel,
keine Fiber und keine Ader unsers kunstreich gebauten Leibes ist
sich selbst überlassen, über alle kleinsten Teile unsrer kleinen
Welt wacht der Gedanke unsers großen Gottes.
Liebe Seele, ist dieser Gedanke dir teuer? dann halte ihn fest.
Laß dich nimmer verführen von den weltklugen Toren, die einen
unpersönlichen Gott verkündigen und von einer ewigen, sich
selbst bestimmenden toten Materie reden. Der Herr lebt und ist
unser eingedenk; das ist eine Wahrheit, die viel zu köstlich für
uns ist, als daß wir sie uns so leichten Kaufs rauben ließen.
Wer eines Vornehmen Aufmerksamkeit auf sich zieht, schätzt sich
glücklich und hält sein Glück für gesichert; aber was ist doch
das gegen die Obhut des Königs der Könige! Wenn der Herr an uns
denkt, so ist es ganz gut, und wir freuen uns des ohn' Ende.
C.Eichhorn
Der Mensch - ein Gedanke Gottes
Wie köstlich sind vor mir, Gott, deine Gedanken! Wie ist
ihrer so eine große Summe! Ps. 139, 17
Der Psalmist hat die Gedanken Gottes in den Schöpfungswerken
vor Augen. Jedes geschaffene Ding stellt einen Gedanken
Gottes dar, einen Gruß, mit dem er seine Kinder erfreut. Wie
öd und leer steht die Welt vor dem ungläubigen Menschen da!
Denn der Tor achtet nicht auf die Gedanken Gottes (Ps. 92,
7). Er sieht überall nur den Zufall walten und geht
stumpfsinnig durch die Schöpfung. Der tiefere Sinn
erschließt sich nur dem Glaubensauge.
Insbesondere beschäftigt den Psalmisten der Mensch, das
größte Wunder der Schöpfung. Bei Tieren und Pflanzen kommt
nur die Gattung in Betracht. Aber unter den Menschen stellt
jeder einzelne einen Gedanken Gottes dar. Wie jeder unter
den vielen Millionen Menschen sein besonderes Antlitz hat,
das ihn von andern unterscheidet, so hat auch jede Seele ihr
eigenes Gepräge, das ihr der Schöpfer aufgedrückt hat. Die
Sünde verunstaltet, verwischt und verwüstet diesen Stempel
Gottes. Darum gleichen viele den abgegriffenen Münzen:
sie sind beschmutzt, das Bild verwischt, die Inschrift
unleserlich gemacht. Die meisten wahren auch selbst nicht
ihre Eigenart, sie passen sich andern an. Sie wagen nicht,
das zu sein, wozu Gott sie sonderlich gemacht hat. Sie
wollen nicht auffallen oder äffen andere nach, weil deren Art
ihnen besonders einleuchtet. So werden sie zu
Dutzendmenschen, die das Ursprüngliche verlieren.
In der Erziehung und gegenseitigen Einwirkung der Menschen
wird viel gefehlt. Man geht nicht liebevoll der Eigenart
des einzelnen nach. Man schlägt alles über einen Leisten.
Einen Menschen erziehen heißt: den Gedanken Gottes in ihm
zu erfassen suchen und diesen Gedanken losschälen von dem
unschönen Beiwerk, das ihn zu verschlingen droht, ihn
herausarbeiten aus allem bösen Sündenwust. Denn die Sünde
bewirkt ein ödes Einerlei.
Der Heilige Geist bildet Originale. Er geht mit jedem
besonders um. Seine Arbeit ist das Gegenteil von Dressur.
Er bringt den göttlichen Gedanken im Menschen zu schönem
Ausdruck und zu voller Entfaltung. Die Kinder Gottes werden
in der Bibel verglichen mit Edelsteinen (Sach. 9, 16; Offb.
21, 19). Sie sind geschliffen, aber nicht abgeschliffen; der
eigenartige Glanz und die besondere Färbung kommen nun erst
zur Geltung. Die ungefügen Ecken und Kanten sind weg. Aus
den noch dunkeln, trüben Körpern sind leuchtende geworden.
So nimmt der Heilige Geist die Menschen in Arbeit und stellt
heraus, was Gott in ihnen angelegt hat. Er bringt die Züge
Gottes in jeder Seele zur Erscheinung und bewirkt, daß jede
wieder in anderem Glanz die Herrlichkeit des Herrn
ausstrahlt.
Geben wir uns doch diesem Meister ganz in seine bildende
Hand! Verpfuschen wir doch nicht selbst sein Werk durch
Widerstand oder törichte Eitelkeit, die andere nachmacht,
andern nachredet, anstatt so zu sein und zu reden, wie es
uns gerade von Gott zugeteilt ist!