Ps 119,99
W.MacDonald
»Verständiger bin ich als alle meine Lehrer. Denn deine
Zeugnisse sind mein Überlegen. Einsichtiger als Greise bin
ich.« Psalm 119,99.100
Wenn wir diese Verse lesen, klingen sie zuerst wie die Worte
eines unreifen Angebers oder eines aufgeblasenen Egoisten.
Ja, wir könnten sogar überrascht sein, solche Sätze in der
Bibel zu finden. Sie hören sich so gar nicht christlich an.
Doch wenn wir sie aufmerksamer betrachten, finden wir ein
Schlüsselwort, das die Schwierigkeiten beseitigt. Der
Psalmist gibt ja einen Grund an für sein hervorragendes
Verständnis. Er sagt: »Denn deine Zeugnisse sind mein
Überlegen.« Mit anderen Worten: Er hat mehr Weisheit als
alle seine Lehrer, die die Heilige Schrift nicht kennen. Er
versteht mehr als die Alten, deren Weisheit nur weltlicher
Art ist. Er vergleicht sich also nicht mit anderen
Gläubigen, sondern mit den Menschen dieser Welt.
Und dann hat er natürlich recht! Der schlichteste Gläubige
kann auf den Knien liegend mehr sehen, als der gelehrteste
Ungläubige erkennen kann, wenn er sich auf die Zehenspitzen
stellt. Das wollen wir an einigen Beispielen erläutern.
Da ist ein führender Mann in der Regierung, der seinem Volk
versichert, daß es Frieden in der Welt geben wird, wenn eine
bestimmte Richtung eingeschlagen wird und wenn man dies und
jenes tut. In einem weit entfernten Dorf hört ein
christlicher Bauer diese Rede in seinem Radio. Er weiß aber,
daß es niemals Frieden geben wird, bis der Friedefürst einmal
Sein Reich auf der Erde aufrichtet. Erst dann werden die
Menschen aus ihren Schwertern Pflugscharen machen und
aufhören, Kriege zu führen. Hier hat der Bauer mehr
Verständnis als der Diplomat.
Oder da ist ein bekannter Naturwissenschaftler, der die
Lehre verkündet, daß das Weltall, so wie wir es kennen, ohne
göttliches Eingreifen entstanden ist. Einer seiner Studenten
ist ein junger Mann, der sich vor kurzem zu Jesus Christus
bekehrt hat. Durch seinen Glauben versteht er, »daß die
Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so daß das
Sichtbare nicht aus Erscheinendem geworden ist« (s. Hebräer
11,3). Dieser Student hat eine Einsicht gewonnen, die der
Professor nicht besitzt.
Oder denken wir an den Psychologen, der versucht, das
menschliche Verhalten zu erklären, aber nicht bereit ist, die
Tatsache der uns allen angeborenen Sünde anzuerkennen. Der
Gläubige, der Gottes Wort kennt, weiß wohl, daß jeder Mensch
schon eine böse, verdorbene Natur geerbt hat, und daß man,
solange man das nicht einsieht, nur zu scheinbaren Lösungen
für die Probleme des Menschen kommen kann.
So war der Psalmist also kein eitler Angeber, als er sagte,
daß er mehr Einsicht hätte als alle seine Lehrer. Die, die
im Glauben leben, haben eine bessere Sicht als die, die sich
nur auf ihre eigenen Augen verlassen wollen. Diejenigen, die
über Gottes Zeugnisse nachdenken, sehen Wahrheiten, die vor
den Weisen und Klugen verborgen sind.