Ps 107,20
J.Kroeker
Von der göttlichen Offenbarung.
"Er sandte sein Wort und machte sie gesund und ließ sie ihren
Gräbern entrinnen. Die sollen dem Herrn danken für seine
Gnade und sollen Ihm Dankopfer bringen und seine Taten
jubelnd erzählen." Ps. 107,20 f.
Gottes Herrschaft wird nur sichtbar, wo Gottes Offenbarung
zuvor erlösen konnte. Daher reden die Bücher der Bibel auch
weniger von jenem Wirken, das innerhalb der menschlichen
Möglichkeiten liegt, sondern weit mehr von "einem göttlichen
Werk, das alle menschlichen Möglichkeiten durchbricht".
Nicht die Entwicklungsfähigkeit des Menschen zu Gott
hin, sondern die Erlösungsmöglichkeit des Menschen durch
Gott ist ihr dauerndes Evangelium, ihre Offenbarung. Die
Voraussetzung dieser Offenbarung ist nicht, dass der Mensch
an sich gut ist, sondern dass sie jeden, der schlecht ist,
erlösen will und kann, sobald er sich ihrem Licht und ihrem
Heil erschließt. Sie erwartet nicht Erlösung, sondern bringt
Erlösung, wo bisher die zersetzenden Kräfte des Verderbens
herrschten. Das ist die Weltmission der Gottesoffenbarung.
Diese Erlösung führt zur Gemeinschaft, und zwar mit dem,
von dem sie ausgeht. Der Geliebte wird zum Liebenden. Seine
Seele ist erwacht für den Einen, durch den er sich erlöst
sieht. Das ist die große Wendung, die zu einem neuen Leben
führt. Der erlöste Mensch "schläft nicht mehr den
Starrschlaf des Selbst", sondern er ist "erweckt allein
von dem Einen und für den Einen". Das ist die heilige
Einseitigkeit der Geliebten, der Separatismus der Begnadeten,
die Weltfremdheit der Erlösten. Ihr Mund hat sich geöffnet,
aber nur Gott gegenüber, ihr Ohr beginnt zu hören, aber dem
was Gott redet, ihre Seele beginnt zu fühlen, aber nur den
Pulsschlag Gottes zu ihrem persönlichen Heil. Wer sich
jedoch dem Höchsten erschloss, muss sich eines Tages auch
für das Höchste entschließen: zur Offenbarung für andere zu
werden. Wer im Umgang mit Gott steht, muss sich wiederum der
Welt erschließen, indem er zu ihr spricht, und sich die Welt
erschließen, indem er sie in seine Erlösung hineinzieht. So
durchbricht die Gemeinschaft den Separatismus der Erlösten
und sendet sie als Beauftragte Gottes in die Welt. Die
bisher nur Gott antworteten, sprechen hinfort zu ihren
Brüdern und werden diesen zu einer Offenbarung. Die nur Gott
reden hörten, hören plötzlich auch die Wehklage ihres Volkes
und sind bereit, ein Opfer zu werden zur Erlösung für die
Welt. Denn nicht heiliger Genuss, sondern priesterlicher
Dienst ist die reife Frucht, das höchste Ergebnis eines
begnadeten Menschen in seinem Verkehr mit Gott.