Ps 103,10
C.O.Rosenius
Er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns
nicht nach unserer Missetat. Ps. 103, 10.
Diese Worte sind so gnadenvoll, so tröstlich und so deutlich,
daß man sich nie genug darüber freuen und dafür danken, sie
aber auch nie genug beherzigen kann. Zunächst ist der ganze
Inhalt des Evangeliums der, daß Gott mit uns nicht nach
unseren Sünden, sondern nach dem Verdienst Seines Sohnes
handelt. Der Herr hat einmal mit Einem nach unseren Sünden
gehandelt und Ihn unsere Missetat vergelten lassen. ,,Denn
Er hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde
gemacht." ,,Fürwahr, Er trug unsere Krankheit und lud auf
sich unsere Schmerzen. Der Herr warf unser aller Sünde auf
Ihn. Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um
unserer Sünde willen zerschlagen." ,,Denn Gott war in
Christus und versöhnte die Welt mit Ihm selbst und rechnete
ihnen ihre Sünden nicht zu." Hier ist der Grund, weshalb Er
mit uns nicht nach unseren Sünden handelt und weshalb die
größten Sünder Gnade empfangen haben, die größten
Werkheiligen aber verdammt wurden.
Aber der Herr will mit einem gewissen Volk nach seinen Sünden
handeln. Röm. 4, 4 heißt es: ,,Dem, der mit Werken umgeht,
wird der Lohn nicht aus Gnaden zugerechnet, sondern aus
Pflicht", d. h. sie werden nach Verdienst erhalten, weil
sie es so wollten und also dem Sohn nicht in Wahrheit
gehuldigt haben. ,,Dem aber, der nicht mit Werken umgeht,
glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird
sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet." Kurz: Gott handelt
nicht mit uns nach unseren Sünden; das ist der Inhalt des
ganzen Evangeliums. Und doch sitzt in allen Menschen, auch
in den Gläubigen, die nicht zu tilgende Vorstellung, daß Gott
uns gnädiger sein werde, wenn wir frömmer gewesen sind,
dagegen weniger gnädig, wenn wir uns versündigt haben. Wäre
es aber so, dann käme die Gerechtigkeit wahrlich aus den
Werken, und dann ist Christus vergeblich gestorben. ,,Ist
es aber aus Gnaden, so ist es nicht aus Verdienst der
Werke, sonst würde Gnade nicht Gnade sein! Ist es aber aus
Verdienst der Werke, so ist die Gnade nichts, sonst wäre
Verdienst nicht Verdienst."
Seht nun, wie hoch diese zugerechnete Gerechtigkeit ist.
Welche wunderbaren Worte, die jetzt in unserem Psalm folgen:
,,So hoch der Himmel über der Erde ist, läßt Er Seine Gnade
walten über alle, die Ihn fürchten. Möchte doch jeder Christ
diese herrlichen Worte, dieses erhabene Bild, das der Geist
des Herrn benutzt hat, tief in sein Herz schreiben, dann
werden sie ein himmlisches Paradies in seinem Herzen bilden.
Bedenke nur: ,,So hoch der Himmel über der Erde ist" - kein
menschliches Auge kann das ermessen. Und doch steht hier,
daß der Herr Seine Gnade ebenso hoch über uns walten läßt.
Nun ist der Himmel so hoch über der Erde, daß trotz aller
Unebenheiten, die auf Erden sind, nicht die geringste
Unebenheit am Himmel entsteht. Gewiß ist für uns ein großer
Abstand zwischen den Tiefen der Täler und den Höhen der
Berge. Für uns sind also auf Erden viele Unebenheiten. Sei
aber gewiß, daß keine Bergspitze den Himmel erreicht und dort
eine Unebenheit verursacht. So ist es auch mit unseren
Sünden und der Gnade. Für uns sind unsere Sünden oft wie
hohe Berge; die Gnade Gottes aber ist hoch über ihnen allen,
wie der Himmel hoch über der Erde ist, so daß alle unsere
Sünden auch nicht die geringste Unebenheit in der Gnade
verursachen werden. Wäre es so, daß wir Gnade bei Gott
hätten, wenn wir einige bessere Werke getan haben, dieselbe
Gnade aber nicht hätten, sobald sich einige Sünden zeigten,
dann käme die Gerechtigkeit wahrlich aus den Werken, und
alles wäre falsch, was das Evangelium von der Versöhnung und
der Gnade lehrt.
Erkenne hier, wie die Vernunft und das Gefühl bei diesem
Gedanken zurückschrecken! Unser Herr Jesus, der von den
gebrechlichen Jüngern sagt: ,,Ihr seid jetzt rein, ganz
rein", und Paulus, der da sagt: ,,Ist es aus Gnaden, so ist
es nicht aus Verdienst der Werke", und David, der hier sagt,
daß die Gnade so hoch über uns ist, wie der Himmel hoch ist
über der Erde, - sie alle müßten Toren und Lügner sein, wenn
die Gnade doch von den Werken abhängen würde. Wer in diesem
Glaubenskampf fest stehen will, der muß die Worte des
Heiligen Geistes tief in sein Herz schreiben und Gott recht
ernstlich um den Glauben bitten.
Alle Sünd' ist mir vergeben,
Rein bin ich in Jesu Blut;
Ja, im Blute hab' ich Leben,
Jesu Blut macht alles gut.
Kindschaft hat Er mir erworben,
Alles ist in Richtigkeit;
Er ist selbst für mich gestorben,
Er ist meine Heiligkeit.