Ps 94,19
C.Eichhorn
Ein Gotteskind hat Trost im Leiden
Ich hatte viele Bekümmernisse in meinem Herzen, aber
deine Tröstungen ergötzten meine Seele. Ps. 94, 19
"Aber deine Tröstungen": ein köstliches "Aber"! Neben einer
Waagschale, in der die Leiden und Bekümmernisse lagern, ist
eine zweite. In ihr befinden sich die Tröstungen. Die
erstere mag schwer belastet sein. Doch die zweite gewinnt
das Übergewicht und zieht die Waagschale mit all ihrem Leid
empor. Wenn wir des Leidens viel haben, so werden wir auch
reichlich getröstet durch Christum." Der Trost überwiegt. Es
sind "Tröstungen". Es ist schon ein Trost, zu wissen, daß
die Leiden von oben geordnet werden. "Ihr seid in mancherlei
Anfechtungen", sagt Petrus, "wo es sein soll". Also verhängt
Gott nicht mehr, als sein muß. Er plagt seine Kinder nicht
"von Herzen". Er kann ihnen Leiden nicht ersparen zu ihrer
Reinigung, Erprobung und Ausreifung. "Soll ich den Kelch
nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?" "Ich weiß,
daß mein Gott die Liebe ist. Gefällt es ihm, mich in diesem
Trübsalsofen zu lassen, dann ist es mir auch recht. Er sucht
mein Bestes", äußerte öfter eine edle Dulden. Ein weiterer
Trost ist das künftige schöne Los, das denen winkt, die
"erduldet" haben. Die Leiden sind kurz im Vergleich zu der
ewigen Herrlichkeit und leicht im Verhältnis zu dieser
unaussprechlich gewichtigen Herrlichkeit. Dort werden die
Leidträger reichlich entschädigt. Gott wischt alle Tränen
ab. "Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, werden
wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll
Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein." Der beste Trost
aber ist die Gnade oder die Gewißheit, daß Jesus mich liebt,
und daß Gott mein Vater ist. Das hebt empor, wenn der Mut
sinken will. Das erquickt in der Hitze der Trübsal. Das
hält uns über den Wassern, daß wir nicht versinken. Oft
müssen die Bekümmernisse von außen erst dazu führen, daß die
Seele diesen besten Trost findet. Die Traurigkeit, die durch
schwere äußere Erfahrungen bewirkt wird, verwandelt sich dann
in eine andere, die uns überkommt angesichts unserer vielen
Verfehlungen und Versäumnisse. Diese göttliche Traurigkeit
und Bekümmernis über unsere Sünde bahnt den wahren Trost an,
den Trost der Vergebung aller Sünden, und dieser Trost wiegt
ein Meer von Leiden auf. "Wenn ich nur dich habe, mag mir
Leib und Seele verschmachten, du bist meines Herzens Trost
und mein Teil." Alle diese Tröstungen aber bietet uns das
göttliche Wort. Die Bibel ist das große Trostbuch. Sie ist
großenteils aus Leid und Schmerz geboren worden. Die
Gottesmänner der Bibel empfingen ihre Offenbarungen meist
unter viel Druck und Not. Die Heilige Schrift ist ein Buch
für die Leidtragenden. Die leichtfertigen Genußmenschen
finden, daß die Bibel ein düsteres Buch ist voll finsterer
Drohungen. Aber die Kreuzträger entdecken in ihr lauter
Trostquellen. "Die Reden des Herrn sind freundlich den
Frommen" (Micha 2,7). Machen wir uns nur mit dem teueren
Bibelwort recht bekannt! Dann fehlt es uns nicht an Trost
in unseren Bekümmernissen.
S.Keller
Psalm 94, 19: «Bei der Menge meiner Gedanken in meinem Innern
erfüllten deine Tröstungen meine Seele mit Wonne.» (Wörtlich)
Die Seele hat immer eine Menge von Vorstellungen und
Gedanken, die sie bewegt und erwägt, oder die eine Macht
über sie erlangt haben und sie bewegen. Wie schwer fällt
es nicht, einen bestimmten Gedanken aus seinem Bewußtsein
zu verscheuchen! Und je schlechter er ist, je mehr er uns
schmerzt und je mehr Sorge er uns macht, desto frecher kommt
er wieder. Ja, die Menge unserer Gedanken! Erinnerungen
verschiedenster Art, Kämpfe, Freuden, Schmerzen, Sorgen! Oft
ist diese Menge die schlechteste Gesellschaft, die man sich
denken kann. Es ist unerträglich, ihr wehrlos preisgegeben
zu sein. Da plötzlich teilt sich der wirre laute Haufen: es
wird totenstille, denn eine Gesandtschaft des Königs zieht
daher. Und ihr Ziel bin ich, und ihr Inhalt ist lauter Gnade
und Friede, daß mir die Tränen der Freude in die Augen
kommen und meine Lippen ein Dankgebet stammeln. Ja, seine
Tröstungen! Jesus ist ein Meister im Trösten. Wie weiß er,
wenn es ihm drum zu tun ist, uns zu trösten, alles dazu zu
benutzen: Sonnenstrahlen oder Regentropfen, den Schmetterling
auf dem Blumenbeet oder Nachbars weißes Hündchen; - seine
Größe in Kleinigkeiten hat mich schon oft mit bebender Wonne
erfüllt.
Herr, wer bin ich, daß du meiner gedenkst? Meine Seele bebt
vor dir an und jauchzt über deiner tröstlichen Nähe. Grüße
alle deine Kinder in aller Welt mit solchen Wonnestrahlen,
wenn sie im Dunkel trauern. Gelobt seist du, o Christus!
Amen.
J.Kroeker
Über unseren Glaubensumgang mit Gott.
"Bei den vielen Sorgen in meinem Herzen erquickten Deine
Tröstungen meine Seele." Ps. 94,19.
Wer hat nicht die gewaltige Glaubenssprache empfunden, die
in den Psalmen unserer Bibel geführt wird? Wie sprechen sie
von einem Weltweh, von dem sich die einzelnen Völker, ja die
ganze Schöpfung erfasst sieht. Wer von uns hat nicht seinen
tiefsten Schmerz, für den unsere Seele keinen Ausdruck zu
finden vermochte, in den einzelnen Klagen und Seufzern der
Psalmen wieder gefunden! Denn in den Psalmen spricht nicht
fromme Theorie, in ihnen zittert die nackte Wirklichkeit
und der ganze Ernst unseres menschlichen Lebens wieder.
Sie kennen das Leid, den Kampf, die Bosheit, die Schuld,
die Spannungen unseres todverfallenen Daseins.
Aber die Psalmen künden uns mehr. Sie reden auch von einem
Glauben, der aus dem Weh der Gegenwart den Weg zu Gott
findet. Wie selten bleibt ein Psalm allein bei dem Leid der
Zeit stehen. Der Glaube, der in ihm weint und klagt, erhebt
sich zu Gott, bis er in Gott selbst zur Ruhe kommt.
Daher finden wir in den Psalmen nicht nur die bekannten
Bußgebete, klingen in ihnen nicht nur die einzelnen
Klagelieder wieder, sondern sie enden in so manchen Fällen
mit seltenem Dank und tiefer Anbetung. Wenn wir auch keine
scharfe Grenze zwischen Dank und Anbetung ziehen, aber die
Dankgebete bleiben doch mehr oder weniger bei dem stehen, was
der Mensch an einzelnen Segnungen von Gott empfangen hat.
Man hat die Vergebung der Sünden erlebt und preist nun die
Barmherzigkeit, die unsere Schuld zuzudecken und unser Leben
mit neuem Segen zu krönen vermag. Oder man hat sichtbar
Gottes Eingreifen in unsere Not und Verhältnisse erfahren,
und zwar in einer Stunde, wo alle Wogen und Wellen über uns
ergingen. Nun preist die Seele den, der auch aus dem Tode
erretten kann. Die Dankeslieder bleiben in der Regel bei dem
stehen, was man als Gabe, als Segen, als Rettung und Hilfe
von Gott empfangen hat.
Es gibt aber auch Psalmen, in denen das Lob der Seele sich
nicht mehr mit dem beschäftigt, was man von Gott empfangen
hat, sondern was Gott uns in seiner Person, in seiner
Majestät, in seiner Gegenwart und Herrlichkeit geworden ist.
In ihnen spricht ein Glaube mit seinem geistigen Schauen, dem
Gott mehr ist als seine Gabe, ein Glaube, der in seiner
Hingabe und Anbetung Gott über alles ehrt. Er hat über den
Segen den Weg zum Segnenden gefunden und bekennt vor der
ganzen Schöpfung Gottes: "Du, Herr, bist mein Gut, nichts
geht mir über Dich!"