Ps 68,20
C.O.Rosenius
Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn HErrn, der
vom Tod errettet. Ps. 68, 20.
Kinder Gottes, die sich schon der Hoffnung der seligen Stunde
herzlich freuen, in der sie aus dem Elend in die Herrlichkeit
eingehen werden, beben dennoch zuweilen vor dem Tod und
scheuen sich davor. Das rührt ganz natürlich nur daher, daß
sie noch nicht lauter Geist, sondern auch Fleisch sind, und
daß, wie Luther sagt, das ,,dumme Fleisch" nichts Besseres
weiß. Bist du fremd vor Gott, ist das Gewissen krank und
hast du nicht die Gewißheit der Freundschaft Gottes, dann
ist es nicht verwunderlich, daß du beim Anblick des Todes
erbebst, dann hast du aber auch allen Grund, diese Gewißheit
bald zu suchen. Wenn aber auch diejenigen, die in einem
guten Verhältnis zu ihrem Gott stehen, zuweilen von einer
merkwürdigen Angst vor dem Tod ergriffen werden, dann sollen
sie doch wissen, daß dies nur herrührt von den ,,feurigen
Pfeilen" des argen Satans, mit denen der Feind, solange er
kann, die armen Herzen der Gläubigen zu verwunden sucht. Es
hilft da nichts anderes, als den anzurufen, der mit Macht die
Teufel austrieb.
In den Zeiten der Todesfurcht sollten wir besonders zwei
Dinge bedenken. Erstens, daß uns nichts geschehen kann,
was nicht der treue Vater uns zusandte. Wir sollten nie
vergessen, daß unser Heiland, der Treue und der Wahrhaftige,
gesagt hat:
,,Eure Haare auf dem Haupte sind alle gezählt. Kauft man
nicht zwei Sperlinge um einen Pfennig? Und doch fällt deren
keiner auf die Erde ohne euren Vater. Ihr seid besser als
viele Sperlinge." Ja, Herr, Du achtest uns wohl mehr wert als
einen Sperling. Dank und Lob sei Dir! Dann wird uns nichts
geschehen ohne Deinen Befehl. Niemand stirbt aus Zufall,
sondern man stirbt gerade in dem Augenblick, in dem man
sterben soll, nicht früher und nicht später. ,,Alle Tage
waren in Dein Buch geschrieben, die noch werden sollten",
sagt David. Und Hiob sagt: ,,Du, Herr, hast uns ein Ziel
gesetzt, das wird kein Mensch überschreiten." Der Tod ist
nicht ein Werk einer Krankheit oder des Schwertes, sondern
ein Werk des Willens Gottes. Wie ungebührlich ist es darum,
wenn Christen sich vor dem Tod fürchten! Kein Unglücksfall,
keine Menschenhand, keine Seuche kann ihnen schaden, solange
die Stunde nicht geschlagen hat, die neben ihrem Namen in dem
Buch im Himmel eingetragen steht.
Zweitens: Ob es dem Fleisch auch widerstrebt, so ist es doch
gut, daß der Herr uns ruft, wenn Seine Stunde da ist. Obwohl
eine Mutter ihr Kind gar oft zum Schlafen zwingen muß und
darum seinen kleinen Arm festhält, bis es durch Weinen
ermüdet einschläft, so tut es dem Kind doch gut, daß es
Schlaf erhält. So ist es auch für einen Christen ein
unendliches Glück, wenn er im Glauben entschläft aus einer
Welt voller Gefahren, Sorgen und Not, obwohl das Fleisch
diesen Schlaf nicht liebt. Wir müssen Gott danken, daß
unsere Abneigung gegen den Tod uns nicht verdammt, da wir
ja immer auf Vergebung leben. Unsere Begnadigung steht auf
einem weit festeren Grund, als daß sie durch eine Sünde oder
Schwachheit erschüttert werden könnte, solange wir in allen
Dingen unsere Hoffnung unter den Flügeln Christi haben. Wenn
der Herr uns ruft, dann geschieht das Große, woran wir so
lange gedacht haben, der feierliche Eintritt in die Ruhe des
Herrn, in eine Welt, deren Herrlichkeit kein Auge vorher
gesehen und kein Ohr vorher gehört hat. Bedenke nur, was es
bedeutet, wenn wir von allem Übel in dieser argen Welt der
Sünden und der Sorgen erlöst werden und all das Gute in
Empfang nehmen sollen, das ein allmächtiger Gott Seinen
Freunden in einem Reich der Seligkeit bereiten kann, wenn
Er ihnen Gutes tun will!
So sehen wir denn, daß der Tod, obwohl die Natur ihn nicht
liebt, sondern sich windet und sich vor ihm scheut, doch gut
und wohltuend ist, wenn man nur unter den Flügeln Christi
entschläft. Darum sollen die Christen ihr Herz vor Gott
stillen und versuchen, eine milde, versöhnte Haltung dem Tod
gegenüber zu erhalten, auf daß sie nicht in die Schlinge des
Teufels fallen und anfangen, sich eigenwillig vor dem weisen
und guten Willen ihres zärtlichen Vaters mit ihnen zu
scheuen. - Dennoch ist es ganz in der Ordnung, daß es einem
Christen wunderlich zumute wird, wenn der letzte Gast ihn
grüßt. Aus einer Welt in eine andere zu gehen - o welch ein
Schritt ist das! Aus dem Schlafgemach vor das Antlitz des
Höchsten zu treten, in den Kreis der heiligen Engel -
bedenke, welch eine Veränderung! Vor welch wundersamem
Gefühl muß das Herz doch in einer solchen Stunde klopfen!
Was aber für ein begnadigtes Kind ungebührlich ist, das ist
jene eigenwillige Abscheu und jenes Bangen des Unglaubens,
wodurch man den Einbruch des Todes als einen feindlichen
Eingriff betrachtet, während er doch kommt, um uns von allem
Übel zu befreien und uns eine gute Ruhe zu bereiten. Sollte
man es wohl für einen feindlichen Eingriff halten, wenn eine
Mutter ihr zartes Kind in die Wiege legt? Oder wenn ich von
Feinden eingesperrt wäre, und ein König käme mit seiner
Kriegsmacht, mich zu befreien, dann erhöbe sich gewiß ein
Streit und Lärm, sollte ich dann aber beben wie vor einem
feindlichen Angriff? Sollte ich nicht bedenken, daß es mir
zum besten wäre? - Soll ich ängstlich werden, wenn ein
feierlicher Zug von Engeln naht, um mich meinen Feinden zu
entreißen und die Krone des Lebens auf mein Haupt zu setzen?
Alles dies geschieht ja jedem Kind Gottes in seinem Tode
ebenso gewiß, wie unser Heiland bei Seinem zärtlichen
Abschied sprach:
,,Ich werde wiederkommen und euch zu Mir nehmen, auf daß ihr
seid, wo Ich bin."
O, Herr Jesu, laß mich nicht,
Laß mich nicht von Deiner Seite;
Du bist meine Zuversicht,
Deine Hand mich führ' und leite,
Bis Du mich aus aller Not
Heim wirst hol'n zu Dir, mein Gott!