Ps 66,10
S.Keller
Psalm 66, 10: «Denn Gott, du hast uns versucht und geläutert,
wie das Silber geläutert wird.»
Wie im Silbererz edle und unedle Bestandteile
durcheinandergemengt sind, daß eine Scheidung derselben ohne
große Glut unmöglich ist - so sind auch bei uns wertvolle und
schlechte Anlagen und Eigenschaften so verbunden, daß nur
Gott sie klar voneinander unterscheiden kann. Um aber jeden
Vorzug von seinem verwandten Fehler zu lösen, müssen wir in
den Schmelztiegel der Prüfungen. Dem einen wird körperliches
Leid verordnet, dem anderen Demütigungen, Erfolglosigkeit
seiner Arbeit oder Kampf mit Menschen; was es immer sein mag,
wenn nur die große Hitze den Erfolg hat, unser besseres Teil
frei zu machen von dem Unedlen, Unreinen, Selbstsüchtigen in
uns. Das Stück Silbererz im Tiegel hat nicht zu bestimmen,
wann die Hitze aufhören soll, sondern der Schmelzer. Sein
Ziel aber ist der Silberblick; wenn im flüssigen, kochenden
Metall sich jener Spiegel bildet, der des Schmelzers Antlitz
widerspiegelt. Dann ist's genug. Aber nicht früher. Denn
vor ihm nichts gilt, als sein eigen Bild. Es ist daher
töricht zu betteln: Nimm den Tiegel vom Feuer, damit ich
mich von dem Leiden erhole! Höchstens könnten wir bitten um
Klarheit über dasjenige an Schlacken, was jetzt fort soll,
damit wir es nicht festhalten und den ganzen Vorgang zu
unserem eigenen Schmerz nur verlängern.
Herr, ich beuge mich vor dir. Es war ja Barmherzigkeit von
dir, damit ich los käme von den Fehlern meiner Art, daß du
gerade mir dieses besondere Leid gesandt hast. So bitte ich,
nimm das Böse von mir, nicht das Leid. Halte du mich fest.
Amen.