Ps 62,1
A.Christlieb
Meine Seele ist still zu Gott, der mir hilft. Psalm 62, 1
Drei Männer der Heiligen Schrift wollen wir anschauen, die
bei erschütternden Todesfällen sich zu der rechten Stille
durchrangen. Da ist Aaron, der eben erfährt, daß Gott seine
beiden Söhne Nadab und Abihu dahingerafft habe, weil sie
gewagt hatten, fremdes Feuer auf den Altar Gottes zu bringen.
Mose muß dem unglücklichen Vater verkünden: ,,Das ist's, das
der Herr gesagt hat: Ich erzeige mich heilig an denen, die
mir nahe sind, und vor allem Volk erweise ich mich herrlich."
- Man denke sich in Lage und Herz dieses Vaters hinein. Was
wird er tun? Die Haare raufen? Sich verzweifelt zu Boden
werfen? Die Faust ballen? Mit Gott hadern? Nichts von
alledem. Die Schrift sagt: Und Aaron schwieg stille. -
Ach, Freunde, Aarons Schweigen ist eine kurze aber gewaltige
Totenfestpredigt. Sie ruft uns zu: Beugt euch unter Gottes
gewaltige Hand, und rebelliert nie gegen Gott, auch nicht
in den schwersten Stunden! - Danach betrachten wir David,
dem angesagt wird, das von Bath-Seba geborene Söhnlein
ist gestorben. Die ganze Nacht durch hatte er in heißem
Gebetskampf um das Leben des Kindes gerungen. Nun erfährt
er, daß Gott ihn nicht erhört habe. Was lesen wir nun, daß
David getan habe? ,,Da stand David auf, wusch sich und ging
in das Haus des Herrn und betete an" (2. Samuel 12, 20). -
Hier zeigt David allen Eltern, die ein Kind abgeben müssen,
den Weg zum wahren Trost. Er ging in das Heiligtum, betete,
und kam, von Gott selber getröstet, wieder heim. - Zuletzt
soll Hiobs wohlbekanntes Wort uns helfen. In der gleichen
Stunde war ihm der Verlust seines Millionenvermögens und der
jähe Tod seiner zehn erwachsenen Kinder gemeldet. Er aber
rief: ,,Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen,
der Name des Herrn sei gelobt." - Gott lehre uns solches
Schweigen, Beten und Loben!
S.Keller
Psalm 62, 1: «Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.»
Viele haben ordentlich Angst vor Stille; es könnte ihr
Gewissen diese Stille benutzen, um ihnen alte Schuld ins Ohr
zu flüstern. Daher ist der Zeitvertreib eigentlich ein
Vertreiben der Stille, des Gewissens und der besten Regungen
der Seele. Stille zuerst vor sich selbst, in und mit sich
selbst. Das kann je nachdem schon etwas Heilendes und
Befreiendes haben, wenn man für einige Zeit solche Stille
sich geschaffen hat. Wenn aber eine Schuld sich mit
eingeschlichen hat in diese Stille oder eine Sorge, dann
wird's doch beängstigend und bedrückend, so mit sich und
seinen Quälgeistern allein zu sein. Daher deutet unser Text
eine Richtung der Stille an: zu Gott. Für ihn offen! Um
seinetwillen stille, damit man von daher das Nahen der sicher
erwarteten Hilfe spüren könne. Wie still muß das Wasser
sein, wenn es die Landschaft widerspiegeln soll. Wie still
muß deine Seele sein, wenn der, dessen Stimme man nicht hört
auf der Gasse, in ihr leise und doch mächtig sich bezeugen
will! Jesus sucht die stillgewordenen Seelen, damit sie sein
Bild widerspiegeln können. Kampf um Stille! Segen der
Stille! Jesus in der Stille!
Herr, mein ganzes Sehnen geht auf dich. Ich möchte dir
solche stille schöne Stunde in meinem Leben weihen, daß du
sie füllest mit deinem schimmernden Glanz. Hilf mir, die
anderen Stimmen zum Schweigen zu bringen, damit Raum sei und
Ruhe für dich! Ich will stille sein; rede du! Amen.