Ps 61,2
C.H.Spurgeon
,,Wenn mein Herz in Angst ist, so wollest Du mich führen auf
einen hohen Felsen."
Ps. 61, 2.
Die meisten unter uns wissen, was das heißt, wenn das Herz in
Angst ist; leer, wie wenn ein Mensch eine Schale ausspült und
sie umstürzt; untergetaucht und auf die Seite gelegt, wie ein
Fahrzeug, das der Sturm als Spielball vor sich hintreibt. Das
Gewahrwerden inneren Verderbens bewirkt solche Angst, wenn der
Herr zuläßt, daß die große Tiefe unsres Sündenelends aufgeführt
wird und Schlamm und Unrat auswirft. Ungemach und Herzeleid
erwecken sie, wenn eine Woge um die andre über uns hereinbricht,
und wir sind wie eine zerbrochene Muschel, die von der Brandung
hin und her gestoßen wird. Gottlob! daß wir in solchen Zeiten
nicht ohne einen allgenugsamen Trost dastehen; unser Gott ist
der Hafen für sturmgepeitschte Schiffe, die Zuflucht verirrter
Pilger. Höher als wir ist Er, seine Gnade höher als unsre
Sünden, seine Liebe höher als unsre Gedanken. Es ist zum
Erbarmen, wenn man sieht, wie Menschen ihr Vertrauen auf etwas
setzen, das noch weit unter ihnen steht; unsre Hoffnung aber
stehet auf einem erhabenen und herrlichen Herrn. Er ist ein
Fels, denn Er verändert sich nicht; Er ist ein hoher und
erhabener Fels, denn die Fluten, die über uns hereinstürmen,
toben tief unter seinen Füßen; Er wird von ihnen nicht
beunruhigt, sondern herrscht über sie nach seinem Willen. Wenn
wir uns unter den Schutz dieses hochragenden Felsens begeben,
können wir jedem Sturme trotzen. Hinter der schirmenden Mauer
dieses himmelhohen Vorgebirges ist alles ruhig und stille. Ach,
die Verwirrung und Ratlosigkeit, in welche das schwer geprüfte
Gemüt oft gestürzt wird, ist so groß, daß wir uns in diesen
göttlichen Bergungsort flüchten müssen. Aus solcher Stimmung
ging das Gebet in unsrer Schriftstelle hervor.
O Herr, unser Gott, lehre uns durch Deinen Heiligen Geist den
Weg des Glaubens, führe uns ein zu Deiner Ruhe. Der Wind
treibt uns hinaus aufs offene Meer, das Steuer folgt unsrer
schwachen Hand nicht. Du, Du allein kannst uns über die
Sandbank und zwischen die gefährlichen Klippen hindurch
steuern und uns in den sichern Hafen bringen. Dich haben wir
nötig, um zu Dir kommen zu können. Tue auch jetzt mit uns
nach Deinem Wohlgefallen.
Ch.Spurgeon
"Vom Ende der Erde rufe ich zu dir in der Angst meines
Herzens." Psalm 61,3
Das Gebet Davids ist weise und angemessen. Er steht unter
großem Druck und bittet darum, daß Gott ihn über die Umstände
erheben möchte. Männer, die von Gott berufen sind, für seine
Herde Sorge zu tragen, fühlen sich niedergedrückt, wenn die
Zeichen der Zeit dunkel und drohend sind. Mose trug in der
Wüste das ganze Volk Israel auf seinem Herzen, und so trägt
jeder rechte Diener die Gemeinde Gottes auf seinem Herzen
und fühlt sich oft beladen.
So ist es sehr schmerzlich für mich, die zunehmende
Verweltlichung in der Gemeinde sehen zu müssen. Viele
bekennende Christen geben uns Anlaß zu ernsten Befürchtungen.
Wir sehen sie Dinge dulden, die ihre Väter nie geduldet
hätten. In unseren Gemeinden befinden sich Familien, in
denen keine Hausandachten gehalten werden, wo aber luxuriöses
Essen und Trinken an der Tagesordnung ist. Ich habe den
Verdacht, daß sich unter uns eine beträchtliche Anzahl
befindet, die das Theater besucht, sich am Kartenspiel
beteiligt, zweifelhafte Lektüre liest und doch zum Tisch
des Herrn kommt.
Rings um uns her wächst immer mehr das böse Unkraut der
modernen Theologie auf, das nichts anderes ist als Unglaube,
der zu feige ist, seinen eigenen Namen zu tragen. Es gibt
Prediger, die die wörtliche Inspiration der Bibel leugnen
und die Autorität der Bibel verwerfen und doch von ihren
Gemeinden geduldet werden. Ich sehe diesen Sauerteig des
Unglaubens nach allen Richtungen hin wirken, und viele sind
in dem einen oder anderen Punkt angesteckt. Er frißt sich
wie ein Krebs in die Seelen der Gemeinden hinein. Gott
erlöse uns davon!
In solchen Zeiten wünschen wir uns auf einen hohen Felsen
gestellt, in die unendlich hohe und herrliche Gegenwart
Gottes. Dort werden wir ruhig im Vertrauen auf Gott und
lassen den Sturm weit unter uns.