Ps 45,7
C.H.Spurgeon
,,Du hassest gottloses Wesen."
Ps. 45, 7.
Zürnet und sündiget nicht. Es kann kaum etwas Gutes in einem
Menschen sein, wenn er sich nicht über die Sünde erzürnt; wer
die Wahrheit lieb hat und aus der Wahrheit ist, haßt alle
falschen Wege. Wie haßte doch unser Herr Jesus die Versuchung so
tief, wenn sie sich Ihm nahte! Dreimal stürmte sie in jedesmal
andrer Gestalt auf Ihn ein, und jedesmal trat Er ihr mit dem
Wort entgegen: ,,Hebe dich weg von mir, Satan!" Er haßte das
gottlose Wesen in andern; und das nicht umso weniger von ganzem
Herzen, wenn Er auch diesen Haß öfter in Tränen des Mitleids,
als in Worten des Vorwurfs ausdrückte; und dennoch könnte keine
Sprache strenger, Eliasgleicher sein, als die Worte: ,,Wehe euch,
Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Witwen
Häuser fresset, und wendet lange Gebete vor." Er haßte die Sünde
so sehr, daß Er sein Herzblut vergoß, um sie auf den Tod zu
verwunden; Er litt den Tod, um sie zum Tode zu bringen; Er ward
begraben, damit Er sie mit begraben möchte in seiner Gruft; und
Er erstand vom Tode wieder, damit Er sie auf ewig möchte unter
seine Füße treten. Christus ist uns im Evangelium geschenkt, und
dies Evangelium ist dem gottlosen Wesen in jeder Gestalt abhold
und widerstehet demselben. Die Gottlosigkeit schmückt sich mit
schönen Gewändern und redet mit heuchlerischer Zunge die Sprache
der Heiligkeit; aber Jesu gewaltige Lehre treibt, seiner
unsanften Geißel aus Stricken gleich, sie zum Tempel hinaus, und
mag sie in seiner Gemeinde nicht dulden. Und so ist auch in
einem Herzen, wo Christus wohnt, ein erbitterter Krieg zwischen
Christus und Belial! Und wenn unser Heiland uns einst als
Richter erscheint, dann werden die donnernden Worte: ,,Gehet hin
von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer" (die in der Tat
nichts andres sind, als die Fortsetzung seiner Lehrvorträge über
die Sünde), seinen Abscheu vor aller Gottlosigkeit bezeugen. So
warm und innig seine Liebe zu den Sündern ist, so heiß ist sein
Haß gegen die Sünde; so vollkommen seine Gerechtigkeit ist, so
vollständig wird die Vernichtung jeder Art von Bosheit sein. O
Du siegreicher Held im Schmuck der Heiligkeit, Du herrlicher
Überwinder des Bösen, ,,Du liebst Gerechtigkeit und hassest
gottloses Wesen, darum hat Dich Gott, Dein Gott, gesalbt, mit
Freudenöl, mehr denn Deine Gesellen; Dein Stuhl bleibet immer
und ewig."
D.Rappard
Gott, dein Gott, hat dich gesalbt mit Freudenöl.
Ps. 45,7; Hebr. 1,9.
Eine sehr betrübte Mutter kniete inmitten einer kleinen
Schar von Betern. Nicht lange zuvor war ihr heißgeliebter
Sohn ihr durch den Tod entrissen worden, und tiefe Traurigkeit
lagerte sich um ihr Gemüt. Aber in dem Leid hing sie dennoch an
ihrem Herrn. Auch suchte sie die Gemeinschaft mit seinen Kindern
auf. Dort war es ihr wohl, weil Jesu Gegenwart sich gerne
offenbart, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind.
Es sei dies ein Wink für andere Leidtragende.
Ein edler Greis in Silberhaaren leitete die Andachtsstunde
und in tiefem Mitgefühl betete er: ,,Herr, unser Haupt,
der Du gesalbt bist mit Freudenöl, gieße aus Deiner Fülle in
die betrübten Herzen Deiner Glieder e i n T r ö p f l e i n
F r e u d e n ö l v o n D i r!"
Freudenöl. Nicht nur stille Ergebung? Das wäre ja schon
viel. Aber Er, der gesprochen hat: Tue deinen Mund weit auf,
laß mich ihn füllen! erhörte das glaubensvolle Flehen und ließ
wirklich etwas von dem Öl seiner Freude fließen in die
verwundete Seele. Sie blickte hinweg von sich und sah auf zu Jesu,
dem herrlichen Heiland. Und dieser Blick brachte ihr tausendfach
Heil zurück: Ruhe, Kraft und Zuversicht, F r e u d e n ö l
mitten im Schmerz.
Ein Tropfen von dem Freudenöl,
Das weiß ich ganz gewiß,
Kann wandeln meine finstre Höhl'
In lichtes Paradies.