Psalmen

Ps 19,12 D.Rappard Wer kann merken, wie oft er fehlet? Verzeihe mir die verborgenen Fehle! Ps. 19,12.

Sehr wichtig ist dies Gebet Davids. Er macht uns hier und in dem folgenden Verse aufmerksam auf einen Stufengang in der Sünde. Er nennt zuerst die ,,v e r b o r g e n e n Fehle". Dann spricht er von ,,s t o l z e n, ü b e r m ü t i g e n Sünden", und endlich von ,,g r o ß e r M i s s e t a t". Es ist lehrreich, jede einzelne dieser Bezeichnungen zu beachten.

,,Verzeihe mir die v e r b o r g e n e n Fehle!" Es ist unbegreiflich, wie ein Christ angesichts solcher Worte sagen kann, er bedürfe der Bitte um Vergebung nicht. Gewiß, der Herr kann und will seine Kinder bewahren vor Sünden und Übertretungen. Das normale Christenleben ist nicht ein beständiges Fallen und Aufstehen, sondern ein fester Wandel im Licht. Aber gerade in diesem Lichte wird man der eigenen Gebrechen mehr und mehr gewahr. D i e g e h e i l i g t s t e n C h r i s t e n h a b e n d i e t i e f s t e E m p f i n d u n g i h r e r a n g e b o r e n e n S ü n d h a f t i g k e i t.

Ich merke es wohl selbst nicht immer, wenn ich fehle. Andere sehen es an mir. U n d G o t t s i e h t e s. Darum wende ich mich direkt an ihn:

O Du, der Du alles siehst, vergib auch alles! Besprenge mich mit Deinem Blut, und reinige mich im Verborgensten meines Wesens. So werde ich bewahrt vor übermütigen Sünden und vor offenbarer Missetat.

Herr, mach mich in Gedanken rein, Und laß den Wandel heilig sein!





C.H.Spurgeon Verzeihe mir die verborgenen Fehle! Ps. 19, 12

Ein Mensch, der recht eingesehen hat, wie genau es das Gesetz nimmt mit den Gedanken, wie es jede Bewegung des inneren Menschen richtet, wird es nie mehr wagen, sich selbst für gerecht zu halten vor Gott in Ansehung eigener Taten und Gedanken. David hatte Gottes Gesetz erkannt. Laßt es dem Menschen nur klar werden, wie genau und wie unendlich gerecht das Gesetz ist, und seine Selbstgerechtigkeit wird in nichts zusammenfallen - er wird sie für einen unreinen Lumpen ansehen, während er sie vorher für ein köstliches Gewand hielt.

Im 15.Jahrhundert wurde das Gebot aufgestellt, daß jeder Gläubige einmal im Jahr alle seine Sünden dem Priester bekennen soll, und es wurde die Erklärung beigefügt, daß derjenige, der dieses Gebot nicht erfülle, auf keine Sündenvergebung zu hoffen habe. Was kann abgeschmackter sein als ein solches Gebot? Kann denn der Mensch seine Sünden so leicht angeben, wie er seine Finger zählen kann? Wenn ein Mensch alle die Sünden, die er in nur einer Stunde begeht, aufzählen und dann erst Vergebung erlangen sollte, so käme kein einziger in den Himmel - denn es gibt eine solche ungeheure Masse von Sünden, welche wir nicht kennen, welche ebensowohl Sünde sind, wie die, welche uns bekannt sind, und welche wir zu bekennen imstande sind.

O! wenn wir Augen hätten wie Gott, wie verschieden würden wir von uns selbst denken! Die Sünden, welche wir sehen und bekennen, sind wie Musterproben vom Getreide, welches ein Bauer zum Markt bringt, während er die volle Kornkammer zu Hause läßt. Wir bemerken und entdecken nur eine kleine Zahl von Sünden, verglichen mit denjenigen, welche uns selbst verborgen sind, und von unseren Nebenmenschen nicht beobachtet werden. Wir begehen in einer Stunde viele tausend Sünden, über welche unser Gewissen uns keine Vorwürfe macht, weil wir ihre Häßlichkeit nie erkannt und weil wir über das göttliche Gesetz nie recht nachgedacht haben. Aber Sünde ist Sünde, ob wir sie sehen oder nicht; sie ist doch in Wahrheit Sünde, obgleich sie vor Gott nicht so groß ist, als wenn sie mit Wissen und Willen begangen wäre, - denn das Wissen und der Wille vermehrt das Wesen der Sünde.

Laßt uns daher nach allen unseren Sündenbekenntnissen beten: "Herr, ich habe alles bekannt, was ich weiß, aber ich muß noch hinzusetzen: vergib mir auch meine verborgenen Fehler."