Ps 1,3
S.Keller
Psalm 1, 3: «... der seine Frucht bringt zu seiner Zeit ...»
Beim jungen Baum kommt's noch nicht so sehr aufs
Fruchtbringen als aufs rechte Wachstum an. Auch beim
Beschneiden sieht man nicht aufs Fruchtholz, sondern auf die
für die Zukunft wichtige Form. Was habe ich als blutjunger
Pfarrer mich ums Früchtebringen gesorgt und gegrämt! Damals
sollte ich Holz ansetzen, starke Äste bekommen und eine
ordentliche Krone - und ich meinte, ich müßte schnell recht
viel Früchte bringen. Zu seiner Zeit! Der Frühling soll
Blüten bringen und der Herbst Früchte. Wenn wir vor der
rechten Zeit Früchte erzwingen wollen, sind sie danach:
unreifes, unechtes Zeug. So wird ein Rückblick auf unser
Leben beides bringen: Beschämung über unsere Ungeduld und
demütige Anbetung der Weisheit und Geduld Gottes. Aber, wenn
der Herbst des Lebens naht, und wir sehen doch so wenig
Frucht? Weißt du, was für ein bewahrender Einfluß von dir
ausgeht, ohne laute Erfolge vor den Leuten? Was du andern
durch dein bloßes Dasein, durch dein gewisses Sosein für eine
Hilfe und Trost bist, kannst du nicht ermessen. Das, was
augenfällig vor andern gezählt werden kann, sind die Äpfel
einer Ernte; der Apfelbaum aber bleibt.
Behalte mich in deiner Pflege, der du dem Tode mich entrückt,
daß nicht der Wahn der eignen Wege mich kaum Erlösten neu
umstrickt. Du kennst mein Herz in seinem Trutze, du kennst's
in seiner Kreuzesflucht. Behalte mich in deinem Schutze!
Behalt mich, Herr, in deiner Zucht! Amen.