1Kö 11,30
J.Kroeker
Von Salomo und seinem Fall.
"Und der Prophet Achija fasste den neuen Mantel, den er
anhatte und riss ihn in zwölf Stücke und sprach zu Jerobeam:
Siehe, ich will das Königreich von der Hand Salomos reißen
und dir zehn Stücke geben." 1.Kön. 11,30 f.
So mehrten sich im Inneren trotz des äußeren Glanzes und der
scheinbaren Stärke des Königtums doch jene glühenden Funken,
die zur gegebenen Stunde den Bau in Brand stecken sollten.
Noch durfte Jerusalem "glänzende Paraden bewundern". In
den Steinbrüchen Judas stöhnten jedoch bereits tausende
Unglückliche, und "in den Wäldern des Libanon oder auf den
Galeeren des Omansees", trugen tausende schwere Lasten, "um
einigen Glücklichen bequeme Wohnungen zu verschaffen und
den Markt von Jerusalem mit Spielzeug für die Haremsdamen
zu versorgen."
Auf dieser Grundlage konnten jedoch weder das Reich Salomos
noch die späteren Staaten jene Zukunft finden, die sie zu
allen Zeiten zum Heile ihres Volkes erträumten. Was in einem
jeweiligen Staatsleben nicht aus der Wahrheit und der
Gerechtigkeit zum Gemeinwohl des ganzen Volkes auferbaut
wurde, wo aller Gewinn und aller Fortschritt und alle
Machtentfaltung nur dem Glanz und dem Wohlleben einzelner
privilegierter Kreise diente, da kam es von Zeit zu Zeit zu
jenen Erschütterungen, die eines Tages begruben, was die
Vergangenheit erbaut hatte. - So wurde die Weltgeschichte
fort und fort zum Weltgericht. Denn sie trägt eine
Gerechtigkeit in sich, die sich nie dauernd durch äußeren
Glanz und durch paradierende Machtentfaltung unterdrücken
lässt. -
Unter diesen unheilvollen Anzeichen einer nahenden
Auflösung starb Salomo. Mit ihm wurde auch Israels Glanz,
Machtstellung und Weltgeltung begraben. Man ist geneigt,
über Salomos Leben das spätere Pauluswort zu stellen: "Im
Geiste begonnen, aber im Fleische vollendet!" Es blieben in
seinem Leben Seelentiefen zurück, die nie des Herrn wurden.
Eines Tages siegte alsdann das Fleisch über den Geist,
der Genuss über den Dienst, die Staatspolitik über die
Gottesoffenbarung. Wo aber das Aas ist, da sammelten sich
noch immer die Geier, um jenen Körper zu zerstören, der sein
Leben verloren hatte.
So konnte denn weder durch David noch durch Salomo der Welt
jener Völkersabbat und jenes Friedensreich gegeben werden,
nach denen die Menschheit sich seit den uralten Tagen eines
Lamech sehnen. Denn seit Lamechs Heldensang und Nimrods
Reichsgründung und Babels Turmbau ist die Weltgeschichte
nicht mehr aus ihren chronischen Gerichtswehen trotz ihrer
Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit zur Ruhe gekommen.
Erst in Jesus trat eine Theokratie in die Welt, die in ihrer
Erlösung und in ihrer Vollmacht groß genug sein wird, die
Menschheit aus ihrer Todesknechtschaft und die Welt aus ihrer
Gewaltherrschaft in jenen Gottessabbat zu führen, der einmal
ohne einen nachfolgenden Abend sein wird.