2Sam 15,30
J.Kroeker
Von David und seinem Fall.
"David aber stieg den Ölberg hinan, barfuß und verhüllten
Hauptes, und er weinte, während er hinaufging; und auch
das Volk, das bei ihm war, hatte sein Haupt verhüllt und
bei allem Gehen weinten sie." 2.Sam. 15,30.
Die rühmliche Periode von Davids Leben und von dessen
königlichem Dienste fand mit dem Fall der Bathseba ihren
Abschluss. Obgleich David noch etwa fünfundzwanzig Jahre
lang regierte, so war diese Hälfte seiner Regierung voll
von selten schwerer Tragik. Und alles floss aus dem engsten
Kreis seines Hauses und Familienlebens. Es folgte Tragik
auf Tragik, unter denen David seelisch endlich zusammenbrach
und ihm jedes höhere Handeln raubten. Sein Einfluss war
gebrochen. Nur im verborgenen Umgang mit Gott richtete seine
Seele sich immer wieder auf und fand in seinen Psalmen Worte,
wie sie nur die Edelsten aus ihren Tiefen heraus zu singen
vermögen.
Die erste Bitterkeit durchkostete er, als ihm der
Erstgeborene der Bathseba bald nach dessen Geburt starb. Er
empfand das Sterben des Kindes als Gericht. Es gibt Folgen
der Sünde, die keine Vergebung hinwegnehmen kann. Nicht als
ob die Vergebung nicht völlig wäre. Aber auch durch jeden
schweren Fall wird etwas in unser Leben hineingebaut, das
nicht mehr weggebrochen werden kann. So groß David nachher
in seiner Vergebung auch erscheint, so viel Trost auch aus
seinen Bußpsalmen nachher zu Gefallenen gesprochen hat, aus
dem Gesamtbild Davids ist sein Fall mit der Bathseba niemals
mehr hinwegzutilgen. Die Narbe blieb, welche die große Wunde
zurückließ.
Ist der Mensch erst in seiner inneren moralischen Kraft
gebrochen, dann gewinnt er auch keine moralische Kraft mehr,
um anderen auf diesen Gebieten dienen zu können. So nahm
auch die Schwäche Davids seinen Kindern gegenüber immer mehr
zu und trug die übelsten Früchte. Er fand nicht den Mut und
die Kraft, die Blutschande Amnons, oder den Brudermord
Absaloms zu strafen. Wäre ihm nicht sein Feldhauptmann Joab
mit seiner Energie und Entschlossenheit zu Hilfe gekommen,
menschlich gesprochen wäre David an den Palastrevolutionen
seiner Söhne elendiglich zugrunde gegangen, gefallen durch
seiner Söhne Hand. Als Joab zu entscheidenden Mitteln griff,
um Absaloms geheimes Treiben unschädlich zu machen, sah sich
dieser vom König hernach dennoch begnadigt. Absaloms Antwort
war die Revolution. Bei diesem Ausbruch einer schamlosen
Empörung gab der König Jerusalem auf und entfloh. Was kein
äußerer Feind erreicht hatte, das erreichte im Leben Davids
jene unselige Frucht, die er sich in Absalom großgezogen
hatte.