2Sam 6,22
A.Christlieb
Ich bin ein armer, geringer Mann. 1. Sam. 18, 23
Ich will noch geringer werden als diesmal. 2. Sam. 6, 22
Saul hat sich beim Gerät versteckt. 1. Sam. 10, 22
Saul hatte sich ein Siegeszeichen aufgerichtet. 1. Sam. 15, 12
Hier werden uns gleichsam zwei Leitern gezeigt: die sehr
empfehlenswerte Davidsleiter und die gefährliche Saulsleiter.
Die Davidsleiter ist die Leiter hinab in die Demut. David
liebte die Demut von Anfang an. Als man ihn nach dem Sieg
über Goliath ermunterte, um die Hand der Königstochter
zu werben, die ihm als Siegespreis doch zustand, gab er
zur Antwort: ,,Dünkt es euch ein Geringes, des Königs
Schwiegersohn zu sein? Ich bin ein armer und geringer Mann."
Wie tief läßt uns dieses Wort in Davids Herz schauen. Er war
durch den Propheten Samuel in Gottes Auftrag feierlich zum
König in Israel gesalbt worden. Er hatte den Riesen Goliath
überwunden, vor dem das ganze Heer Israels gezittert hatte.
Im ganzen Lande hatte sich das Lied herumgesungen: ,,Saul hat
tausend geschlagen, David aber hat zehntausend geschlagen.''
Doch alles das hatte ihn nicht hochmütig gemacht. Er blieb
in seinen Augen ein ,,armer, geringer Mann." - Nach vielen
Jahren treffen wir David wieder an. Er hatte unterdessen den
Königsthron bestiegen, viele Völker besiegt und die Grenzen
des Reiches Israel weiter ausgedehnt, als je ein König vor
ihm oder nach ihm. Nun sehen wir ihn bei der Einholung der
Bundeslade. Er gibt seiner Freude Ausdruck, indem er mit dem
einfachen Volk vor der Bundeslade hertanzt. Sein stolzes
Weib Michal verspottet ihn darüber. Er aber spricht: ,,Ich
will noch geringer werden als diesmal und will niedrig sein
in meinen Augen.'' - Wohl dem, der mit David auf der
Demutsleiter hinabsteigt in die rechte Herzensniedrigkeit.
Gott tut ihm die Schatzkammer seiner besten Segnungen auf und
erhält ihm seine Gnade.
C.Eichhorn
Ein schönes Ziel
Ich will noch geringer werden denn also und will niedrig sein
in meinen Augen und mit den Mägden, davon du geredet hast, zu
Ehren kommen. 2. Sam. 6, 22
Immer geringer - immer größer. Dies sind zwei
entgegengesetzte Linien, in denen sich die Menschen bewegen.
Die Ziele der Weltmenschen gehen nach Ehre bei den Menschen,
nach Reichtum und Wohlergehen; es sind Diesseitsziele, bei
denen man nur das Eigene im Auge hat. Da dreht sich alles um
die eigene Ehre, den eigenen Vorteil, um Großwerden und
Zurgeltungkommen. Das normale Wachstum von Gottesmenschen
besteht in zunehmendem Kleinerwerden. Ein Apostel Paulus
nennt sich im Brief an die Korinther den "geringsten unter
den Aposteln", später im Brief an die Epheser "den geringsten
unter allen Heiligen", zuletzt im Brief an Timotheus "den
vornehmsten unter den Sündern". Je tiefer man in das eigene
Herz und Leben blickt mit allen Schwächen, Mängeln und
Versäumnissen, desto niedriger schätzt man sich ein. Je mehr
man in die Liebe Gottes eindringt, desto tiefer empfindet
man das eigene Nichts, die gänzliche Unwürdigkeit und
Abscheulichkeit des eigenen Wesens. Man stellt sich über
niemand mehr. Man kann den Tiefstgesunkenen an die Seite
treten. David mischte sich, als die Bundeslade feierlich
eingeholt wurde, unter die kleinen Leute, als wäre er einer
von ihnen. Ja, er tanzte vor der Bundeslade im Überschwang
heiliger Freude; dann er hatte Jehova herzlich lieb, eben
weil er sich all seiner Gnade so ganz unwert fühlte. Es war
ihm so groß, daß Jehova ein Auge auf ihn geworfen und ihn zum
Fürsten seines Volkes erwählt hatte. Er vergaß ganz seine
königliche Stellung. Anders Michal, seine Frau. Sie war
hochmütig und kalt. Sie verdachte es ihrem Mann schwer, daß
er sich vor dem geringen Volk so erniedrigt und seine Würde
nicht gewahrt hatte. Sie empfing ihn mit bitteren,
höhnischen und kränkenden Reden. David brauste nicht auf;
denn er war demütig und der Gnade seines Gottes voll. Er
will noch tiefer heruntersteigen und mit (wörtl. besser
"mit" statt "bei") den Mägden, von denen Michal so
verächtlich geredet hat, zu Ehren kommen. Von Michal
und allen hochmütigen Geistern wird David wegen seiner
Selbsterniedrigung verachtet. Doch an der Geltung bei
der stolzen Welt liegt ihm nichts. Die Ehre bei den
Gottesfürchtigen, die im Durchschnitt kleine Leute sind, gilt
ihm mehr. Hochmütige stellen sich selbst kalt. Demütige
finden Herzen, die sich ihnen anschließen, von denen sie
geliebt und geschätzt werden. "Michal blieb unfruchtbar ihr
Leben lang." Das war die Strafe für ihren Hochmut.
Will gar nichts mehr sein, nichts gelten, auf Jesum nur wart'
ich still, wie er mich, den armen Scherben, noch irgend gebrauchen will.
Entleert lieg' ich ihm zu Füßen, bis er mich erfüllet mit Öl,
daß einzig sein Leben mög' fließen in Strömen von Leib und von Seel'.
Ch.Spurgeon
"Ich will noch geringer werden als diesmal und niedrig sein
in meinen Augen." 2. Samuel 6,22
Wie reagierte David auf die Spottrede seiner Frau? Zog er
sich zurück und handelte als Feigling, beugte er seinen
Rücken der Geißel des Tadels und gab auf? Nein, er sprach
freimütig: "Ich will noch geringer werden als diesmal und
niedrig sein in meinen Augen."
Gott gebe, daß ihr denselben Entschluß faßt. Wenn immer die
Welt euch tadelt, sagt: "Ich danke dir für das Wort, ich will
danach streben, es noch besser zu verdienen. Ich will noch
fester werden; du sollst noch mehr Mißfallen empfinden, wenn
du willst." Geht vorwärts, statt nachzugeben. Zeigt euren
Feinden, daß ihr kein Zurückweichen kennt, daß ihr nicht aus
dem weichen Holz dieser neuen Zeit geschnitzt seid.
Um euch herum seht ihr eine Menge Personen, die Männer
genannt werden, sich aber stets nach der Windrichtung drehen.
Ich bitte Gott, wirkliche Männer zu senden, Männer, die
konsequent für das eintreten, was sie als das Rechte erkannt
haben; Männer, die nur noch beharrlicher werden, wenn
Schwierigkeiten im Weg stehen und ausgeräumt werden müssen;
die treuer zu ihrem Herrn halten, wenn man sich ihnen
widersetzt; die, je mehr sie niedergetreten werden, desto
mächtiger in der Verteidigung der Wahrheit gegen den Irrtum
werden.
Der Verfolger gleicht einer Brennessel. Berührt ihr sie
sanft, dann sticht sie euch, aber greift ihr sie fest an,
dann kann sie euch nicht verletzen. Packt die, die euch
widerstehen, nicht mit brutaler Rache, sondern mit dem
starken Griff ruhiger Entscheidung, und ihr habt den Sieg
errungen. Gebt keinen Grundsatz auf. Steht für jedes
einzelne Korn der Wahrheit auf; streitet dafür wie für euer
Leben; gedenkt eurer Vorväter, an die, die mit Verachtung aus
der christlichen Kirche ausgestoßen wurden, weil sie sich
nicht den Irrtümern ihrer Zeit beugen wollten. Sollten euch
diese weichen Zeiten zu feigen Söhnen heldenmütiger Väter
machen? Wenn ihr außer Prüfungen grausamen Spottes nichts zu
erdulden habt, nehmt sie geduldig hin, tragt sie freudig, und
ihr werdet glücklich sein, die Verachtung unseres Herrn
teilen zu dürfen.