5. Mose

5Mo 32,39 J.Kroeker Von Israel und seinem Fall.

"Sehet nun, dass Ich allein es bin, und kein Gott ist neben Mir. Ich kann töten und lebendig machen, Ich kann zerschlagen und heilen, und niemand kann sich aus Meiner Hand erretten!" 5.Mose 32,39.

Das war und ist Israels Geheimnis in seinem jeweiligen Weltexil. Ein durch die Jahrhunderte hindurch untergehendes Volk, - und doch ist Israel nicht untergegangen.

Fast von jedem mächtigen Weltstaat verschlungen, ist es bisher noch von keiner Nation verdaut worden. Wie der Jude Jude blieb in Ägypten und auf babylonischem Boden, so ist er zum Ärger mancher Nationen Jude geblieben bis in die Gegenwart hinein.

Wahrlich, Israel bleibt ein Rätsel auch in seinem Gericht und in seiner Verbannung. Nicht als ob die Gerichte so leicht und das Exil innerhalb der Völkerwelt so erträglich gewesen wäre. Was das von Gott einst erwählte Volk in seinen Gerichten durchlitten und in seiner Verbannung durchkostet hat, gehört mit zum Allertragischsten der Weltgeschichte. Seine Leiden und Gerichte waren in sich wahrlich groß und gewaltig genug, um ein so kleines Volk für immer vom Schauplatz der Geschichte zu fegen. Sie erwiesen sich aber bisher für dasselbe weit mehr als Läuterung und Heimsuchung, denn als Untergang und Vernichtung.

So ist Israel-Juda geblieben. Es musste bleiben, um auch im Gericht und im Leiden als Erstgeborener eine unnennbare Aufgabe in der Völkerwelt zu erfüllen. Kein Volk hat bisher seinen staatlichen Zusammenbruch, den Verlust seines Heiligtums, die Tränensaat in seinem Exil, das Verstummen seiner Propheten so als eine Auswirkung der ewigen Gerechtigkeit Gottes empfunden, wie das jüdische. Nicht nur die Klagelieder Jeremias, nicht nur die Seufzer und Gebete der nachexilischen Psalmen, sondern eine ganze Gebetsliteratur des Spätjudentums mit seinen erschütternden Bekenntnissen legt Zeugnis ab davon, wie tief der Jude seine Schmach, seine Heimatlosigkeit, seine Verbannung stets als ein gerechtes Gericht Gottes empfand.

Mit dieser Beurteilung stellt aber das Volk für sich - und damit auch für die ganze Welt - fest, dass das Leben, das Recht und die Zukunft gerade des israelitischen Volkes und seines Staates aus göttlich er Gerechtigkeit und der damit verbundenen Sittlichkeit hervorgehen müssen. Wo diese fallen, fällt auch das Volk.

Das Recht Gottes auf die Hingabe des Menschen: das war israelitische Gerechtigkeit; und das Recht des Nächsten auf die Tat dienender Liebe: das war israelitische Ethik. In diesen positiven Forderungen bewegten sich die Aufträge und die Botschaften der meisten Propheten. Israels Auserwählung war für sie die Berufung für die Anteilnahme an der Gerechtigkeit Gottes und der daraus als Frucht herausgeborenen Liebe zum Nächsten.