4Mo 11,14
A.Christlieb
Mose sprach zu dem Herrn: Ich vermag das Volk nicht allein
zu tragen. Es ist mir zu schwer. 4. Mose 11, 14
In den Kapiteln 4. Mose 11 und 12 zeigt Gott der Herr sich
dem Mose als ,,Meister zu helfen" (Jes. 63, 1). Er errettet
ihn aus dreifacher Not. Zunächst aus der Amtsnot. Das immer
neue Murren der Volksscharen legte sich ihm so schwer auf die
Seele, daß er darunter zusammenzubrechen drohte. Gott hörte
sein Seufzen und erleichterte ihm die Last, indem er ihm 70
geisterfüllte Älteste als Helfer zur Seite stellte. - Auch
heute noch kann Gott Lasten wegnehmen, unter denen eins
seiner Kinder seufzt, wie Elia unter dem Wacholderbaum oder
wie Jeremia, der grausam zerschlagen in den Kerker geworfen
wurde (Jer. 20) und dort sagen durfte: ,,Aber der Herr ist
bei mir wie ein starker Held" (V. 11). - Neben der Amtsnot
lag auf Mose die Sorge um das tägliche Brot. Israel empfand
die Eintönigkeit der Ernährung durch das Manna als schweren
Mangel. Das Volk sehnte sich nach der abwechslungsreichen
Nahrung Ägyptens. Wie sollte aber Mose für das Millionenvolk
in der Wüste Fleisch beschaffen? - Gott hörte sein Seufzen.
Der Allmächtige ließ durch einen starken Wind schier endlose
Schwärme von Wachteln in das Lager wehen. Das Volk konnte
sich bis zum Überdruß an Fleisch nähren. -
Der Gott, der Mose half, der Elia durch Raben versorgen ließ,
lebt auch heute noch! - Zuletzt half Gott dem Mose in einer
Familiennot. Seine eigenen Geschwister lehnten sich gegen
ihn auf. Wie schrecklich muß Mose, dieser zart empfindende
Mann, darunter gelitten haben! Wie peinlich war ihm diese
Demütigung vor den vielen Widersachern, die im Volk gegen ihn
arbeiteten. Gott aber griff ein. Mirjam wurde mit Aussatz
gestraft und Mose herrlich gerechtfertigt. Er durfte die
Wahrheit des Wortes erleben: Bei dem Herrn findet man Hilfe
(Ps. 3, 9).
J.Kroeker
Über Gottes Offenbarungsträger.
"Nicht ich allein kann dieses ganze Volk tragen, denn es
ist mir zu schwer." 4.Mose 11,14.
Es gehört das zum Charakter ganz großer Persönlichkeiten,
dass sie nach außen hin nie mehr zu scheinen suchen, als
sie geworden sind. Sie sind immer nur das, was Gott aus
ihnen hat machen können. Alle gemachte Heiligkeit muss von
Menschen mit Ängstlichkeit gehütet und gewahrt werden, damit
in schwacher Stunde nicht die Hässlichkeit seines wahren
Angesichts zu sehen sei. Gewordene Heiligkeit dagegen hütet
den Menschen und verhüllt nicht, dass auch der Prophet Gottes
als Mensch allen Schwachheiten eines Menschen erliegen kann.
So offenbart auch Mose hier als Prophet die ganze Verzagtheit
seiner Seele. Und doch trübt dieses sein Zagen uns nicht das
wahre Bild seiner großen Prophetenseele. Weil er nur ist,
was er ist, gewinnt er umso mehr unser volles Vertrauen zu
seiner göttlichen Sendung. Er gibt sich in seiner Mission
nicht als einer, der diese wie einen Raub an sich gerissen
hat. Er ist nur ein Bote, der sich gesandt weiß, so
unerfüllbar ihm seine Sendung auch erscheint.
Anders gibt sich alles falsche und gemachte Prophetentum. Es
erscheint im Leben immer besser, als es innerlich ist. Daher
erlebt es in der Regel irgendwann eine Katastrophe. Gott
führt es durchs Gericht, damit im Gericht sein wahres Wesen
offenbar und vom Lichte gestraft werde. Und es ist Gnade,
wenn Gott es tut. Denn alles falsche Prophetentum lebt
vielfach in der Illusion, dass das Angenommene bereits
Gewordenes sei. Aber im Gericht erkennt es sich in seiner
wahren Nacktheit und findet vielfach alsdann den Weg zu
seiner Beugung und Rettung. Und das ist Gnade.
Wahre und große Propheten dagegen erkennen sich immer
wieder selbst, und zwar auch ohne besondere Gerichte und
Katastrophen in ihrem Leben. Wie Mose hier, wissen sie, dass
sie eigentlich nie tauglich gewesen sind für die großen
Aufgaben, zu denen sie sich eines Tages von Gott berufen
sahen. Und so oft Gott sie später in ihrem Dienst
legitimierte, sie sprachen doch immer wieder: "Nicht ich
allein kann dieses ganze Volk tragen, denn mir ist es zu
schwer." Sie täuschen sich nicht über ihr Können hinweg und
berauschen sich nicht an sich selbst und an ihren Erfolgen.
So gewaltig die Aufgabe auch gewesen war, Israel aus der
Knechtschaft Ägyptens zu führen, Mose blieb in der
Erkenntnis: "Nicht ich allein kann dieses Volk tragen."