3Mo 19,2
C.O.Rosenius
Rede mit der ganzen Gemeinde der Kinder Israel und sprich zu
innen: Ihr sollt heilig sein, denn Ich bin heilig, der Herr,
euer Gott. 3. Mos. 19, 2.
Zum Gesetz gehören alle Worte Gottes, welche lehren, was wir
sein und tun sollen, alle Worte Gottes, die etwas von uns
fordern, seien es innere Eigenschaften oder äußere Werke.
Denn das Gesetz Gottes fordert den ganzen Menschen, auch das
Innerste seines Wesens, seines Herzens, seiner Gedanken und
Begierden. Darum sagen die Gesetzesworte nicht: Deine Hand,
dein Fuß, deine Zunge soll dies tun, soll jenes lassen,
sondern sie sagen: Du, du, - d.h., sie reden den ganzen
Menschen an. Nimm als Beispiel nur das erste Gebot. Es
fordert ,,unser ganzes Herz, unsere ganze Seele, alle unsere
Kräfte und unser ganzes Gemüt". Und bedenke einmal, was es
bedeutet, daß wir Gott über alle Dinge fürchten, lieben
und vertrauen sollen. Es bedeutet, daß ich Gott über alle
Dinge fürchten soll, nicht fleischlich, sicher, hart und
gleichgültig Gott und meiner Seele gegenüber sein darf, nicht
leichtsinnig sündigen darf, sondern bange davor sein muß,
Gott zuwiderzuhandeln, und daß ich lieber alles leide, lieber
den Tod erdulde, als gegen meinen Gott zu sündigen; es
bedeutet, daß ich mit Ernst, Eifer und Kraft gegen die Sünde
wache und ernstlich streite, und daß ich nicht die eine
Stunde wache, bete und streite und die andere Stunde
leichtsinnig der Versuchung folge, sondern daß ich zu allen
Stunden wache, bete, streite usw.
Daß ich Gott über alle Dinge lieben soll, bedeutet auch, daß
ich nicht kalt gegen Ihn, nicht träge und ohne Lust zum Gebet
und zum Wort Gottes sein darf, sondern mit der höchsten Lust
und Freude mit Gott umgehen soll, so daß ich am liebsten an
Ihn denke, am liebsten von Ihm rede und aus Liebe zu ihm gern
alles tue, was Er befiehlt, und gern alles leide, was Er über
mich zu ergehen gestattet; denn alles das tut man dem, den
man recht liebt. Gott über alle Dinge zu vertrauen,
erfordert einen wahren Glauben an Ihn und eine wahre
Zuversicht auf Ihn, verbietet alles Vertrauen auf mich
selbst und alles Erschaffene, verbietet alle Vermessenheit
und Eigenliebe, verbietet alle Verzagtheit, jede Sorge des
Unglaubens und allen Zweifel. Kurz, wenn du alle Gebote
Gottes durchgehst, so fordern sie nicht das eine oder das
andere Werk, nicht das eine oder das andere Glied, die Hand,
den Fuß oder die Zunge, sondern sie fordern den ganzen
Menschen. Deshalb erklärt Christus in Matth. 5: Wer nur
seinem Nächsten zürnt, ist vor Gott als ein Mörder angesehen,
wer eine Frau nur mit unreiner Begierde ansieht, wird von
Gott einem Ehebrecher gleich gerichtet.
Aus alledem erkennen wir: Gottes Gesetz fordert nicht nur
Werke, sagt nicht nur, was und wie wir es tun sollen, sondern
es fordert vor allen Dingen unser Inneres, einen guten
Herzenszustand, gute innere Eigenschaften. Es sagt, was und
wie wir sein sollen. Es gehört also auch das Wort Gottes,
das von unserer Gemütsstimmung und unseren Eigenschaften
handelt, zum Gesetz. Wenn ich z. B. wegen Kälte, Härte,
Leichtsinn, Hochmut, Eigenliebe Trägheit zum Wort des Herrn
und zum Gebet bestraft werde, dann werde ich vom Gesetz
bestraft. Damit aber nicht genug. Wir finden auch, daß
gerade das Innere, der eigentliche Zustand des Herzens, die
Gesinnung und die Lust das Größte und Vornehmlichste ist, was
Gott vor allen anderen Dingen fordert. Denn wenn ich auch
äußerlich noch so fromm lebe, noch so viel Gutes tue und mich
alles Bösen enthalte, dabei aber innerlich Gedanken und
Begierden hege, die dagegen streiten, Begierden zur Sünde
und Unlust zum Guten, so bin ich vor Gott doch denen
gleichgestellt, die diese Sünden in der Tat frech und grob
ausüben. In einem solchen Zustande, in dem ich das Gute nur
aus Zwang, nur um der Drohungen oder Verheißungen des
Gesetzes willen tue, kann ich also kein einziges Werk tun,
das vor Gott gut ist.
So ist Gott, und so ist Sein heiliges Gesetz. Denn Gottes
Gesetz ist nichts anderes als Seine Heiligkeit, Seine Natur
und Sein Wille in Worten ausgedrückt. So wie Er ist, will
Er, daß auch wir sein sollen. Was Er liebt, will Er, daß
auch wir lieben sollen. Was Er haßt, will Er, daß auch wir
hassen sollen. Er kann nicht damit zufrieden sein, daß wir
das hassen und verachten, was Er liebt, oder daß wir das
lieben, was Er haßt. So wenig wie Er sich mit der Sünde und
dem Teufel einigen und mit ihnen umgehen kann, so wenig kann
Er es dulden, daß wir mit ihnen umgehen. Daher rührt es, daß
Er sich uns als ein Beispiel darstellt und von uns fordert,
daß wir heilig und vollkommen sein sollen, gleichwie Er ist,
indem Er sagt: ,,Ihr sollt heilig sein, denn Ich, euer Gott,
bin heilig." Und Christus spricht: ,,Seid vollkommen,
gleichwie euer himmlischer Vater vollkommen ist."
Ach, die armen Toren, die da sprechen: ,,Gott kann nicht
mehr von uns fordern, als wir vermögen." Dabei sind Seine
angeführten Worte doch so deutlich! Wenn Gott nicht mehr von
uns forderte, als was wir gefallenen Sünder vermögen, würde
nicht ,,aller Mund verstopft werden und alle Welt schuldig
sein", ja, dann hätte Christus vergeblich den Tod für uns
erduldet.
Weil ganz muß sein ohn' Fleck und Naht,
Was Gott nicht soll verfluchen,
So geb ich's auf, mein'n Hochzeitsstaat
Im eignen Werk zu suchen.
Ich suche draußen alle Pracht,
Die einst mich schmück' und kröne.
Mir selber sag ich gute Nacht
Und leb' in Christi Schöne.