2Mo 32,27
A.Christlieb
Erwürge ein jeglicher seinen Bruder, Freund und Nächsten.
2. Mose 32, 27
Auf den ersten Blick kann einem die Strenge des Mose
vorkommen wie ein blindwütiger Zorneseifer. Wenn man aber
näher zusieht, erkennt man, daß Mose in heiligem Eifer und
Gottes Auftrag handelt. Ehe er nämlich sein Strafamt ausübt,
hat er in flehentlichem Geist gelegen vor Gott, der Israel
vernichten und an dessen Stelle Mose zum großen Volk machen
wollte. Inständig hat er gefleht um die Erhaltung des
Volkes. Und nach Vollzug der Strafe war es wieder sein
erstes, daß er Gott anflehte um Begnadigung des untreuen
Volkes. Mose hat auch die Bestrafung erst ausgeführt,
nachdem er gerufen hat: ,,Her zu mir, wer dem Herrn
angehört!". Damit bot er jedem die Hand zur reuigen Umkehr.
- Aber dann sehen wir auch, wie die göttliche Festigkeit bei
aller zarten Rücksichtnahme furchtbar ernst durchgreifen
kann. Mose zermalmt das Götzenbild ohne jede Rücksicht auf
seinen hohen Geldwert. Seinen älteren Bruder, der sich hatte
betören lassen, straft er öffentlich mit scharfem Wort.
Selbst vor dem Furchtbarsten, der Todesstrafe, scheut
er nicht zurück, um das Volk vor weiterer Zuchtlosigkeit
zu bewahren. - Das sind rechte Erzieher, die göttliche
Festigkeit haben, gepaart mit Liebe und Geduld. Sie können
auch streng durchgreifen, wo Gott es von ihnen fordert.
Wenn sie aber ihres Strafamtes gewaltet haben, dann eilen
sie ins Kämmerlein, um Gottes Erbarmen auf die Bestraften
herabzuflehen. Ach, daß wir mehr solcher Erzieher hätten,
statt so vieler Eltern, die teils in schwächlicher Nachsicht
gar nicht strafen, teils in blindem Zorn dreinschlagen und
durch beides den jungen Seelen mehr schaden als helfen. Der
fleischliche Zorn fährt gleich zu mit heftigem Schlagen. Der
heilige Zorn ist gezügelt durch die Geduld, die zunächst
alles versucht, um den Sünder zu retten.