2Mo 20,8
D.Rappard
Gedenke des Sabbattages, daß du ihn heiligst.
2. Mos. 20,8.
Das Sabbatgebot ist älter als die Gesetzgebung auf Sinai.
Wir finden den Hinweis darauf schon auf dem ersten
Blatt unserer Bibel, wo es heißt: Gott segnete den siebenten
Tag und heiligte ihn. Die Einteilung der Zeit in Wochen und
Jahre entspricht dem angeborenen Bedürfnis des Menschen, und
in großer Weisheit hat der Schöpfer die richtige Proportion
bestimmt: Sechs Tage äußerlicher, irdischer Arbeit zu einem
Tag körperlicher Ruhe und geistlicher Weihe.
Wir feiern nach dem Vorbild der ersten Christen den S o n n t a g
als unseren Sabbattag (1. Kor. 16, 2; Apost. 20, 7; Off. 1, 10).
An einem Sonntag ist der Herr siegreich vom Grab erstanden und
hat damit neues Leben angebahnt, einen ganz neuen Anfang
gemacht. Das hebt aber das Urgesetz von dem alle sieben Tage
wiederkehrenden Ruhetag nicht auf, das für die Wohlfahrt der
Einzelnen und der Völker so wichtig ist.
Aber wir Kinder des Neuen Bundes haben daneben noch
ein viel herrlicheres Vorrecht. Wir, die wir glauben, gehen
ein zur Ruhe, sagt uns Gottes Wort (Hebr. 4, 3). In J e s u
i s t R u h e, nicht nur an e i n e m Tag, sondern alle Tage,
bei Arbeit und Mühe, in Kampf und Schmerz. Unsere Sonntage
aber sind ein süßer Vorgeschmack des ewigen Sabbats vor
Gottes Angesicht.
O Du des Sonntags Sonne, mein Heiland Jesus Christ,
Der Du des Himmels Wonne, des Lebens Quelle bist,
Durchleuchte und durchziehe mir Geist und Seele ganz,
Daß alles Finstre fliehe vor Deines Lichtes Glanz.
C.O.Rosenius
Gedenke des Sabbattages, daß du ihn heiligest!
2. Mos. 20, 8.
Gott, der Herr, legt ein besonderes Gewicht auf die
Heilighaltung des Sonntags. Das gibt Er deutlich dadurch zu
erkennen, daß Er nicht einfach befiehlt: ,,Du sollst den
Feiertag heiligen", sondern uns auffordert, im voraus daran
zu denken. Eine weniger wichtige Sache kann man sogleich
unternehmen, ohne im voraus daran denken zu müssen; eine
Sache aber, an die man im voraus denken soll, muß von einer
besonderen Wichtigkeit und Bedeutung sein. Sodann kann man
aus diesen Worten erkennen, daß wir auch unsere irdischen
Angelegenheiten im voraus so einrichten sollen, daß es uns
möglich werden kann, einen ungestörten Sonntag zu erhalten.
Viele büßen seinen Segen, die Ruhe der Seele in Gott und
Seinem Worte nur dadurch ein, daß sie des Sonntags nicht
im voraus gedenken, ihn nicht von solchen Geschäften
und Besuchen freihalten, die sie und ihr Haus an der
Heilighaltung desselben hindern. Viele leiden an
Abhaltungen, die sie selbst hätten beseitigen können,
wenn sie das Wort des Herrn befolgt hätten: ,,Gedenke
des Sabbattages, daß du ihn heiligest."
Aber was sollen wir tun, um den Feiertag zu heiligen? Wie
wird der Sonntag geheiligt, und wie wird er entheiligt?
Unser Lehrvater Luther drückt es in einer kurzen, aber
inhaltsreichen Zusammenfassung so aus: ,,Wir sollen Gott
fürchten und lieben, daß wir die Predigt und Sein Wort nicht
verachten, sondern dasselbe heilig halten, gerne hören und
lernen." Das ist es, was das Gebot des Sonntags im Geist des
Neuen Testamentes fordert. Wenn wir einen solchen Sinn
haben, der Gottes Wort liebt, dann werden wir sicherlich auch
im Werk und in der Tat den Ruhetag heiligen. Zwar ist es
sehr schwer, die äußere Beschäftigung so vorzuschreiben,
daß sie für jeden Fall und für jede Gelegenheit paßt; zum
anderen ist der Sonntag auch durch die vortrefflichsten
Andachtsübungen und die schönsten Taten nicht geheiligt,
wenn sie nicht aus der Gottesfurcht und aus der Liebe
zu Gott und Seinem Wort fließen; denn ohne diese sind
sie vor Gott nichts anderes als Heuchelei. Der Geist
der Gottesfurcht und der Liebe muß im Herzen wohnen,
dann wird er dir auch für jeden besonderen Fall das sagen,
was du in bezug auf das Äußere tun und lassen mußt. Die
Hauptsache ist nur, daß wir Gott so fürchten und lieben,
daß wir Sein Wort nicht verachten, sondern dasselbe heilig
halten, gern hören und lernen.
Demnach verbietet das dritte Gebot also, ein gottloses und
irdisch gesinntes Herz zu haben, das das heilige Wort
verachtet und darum auch am Tage des Herrn glaubt, das tun zu
können, was ihm gefällt. Werfen wir nur einen Blick hinaus
in die Welt und darauf, wie es im allgemeinen zuzugehen
pflegt, so stoßen wir auf so betrübliche und merkwürdige
Umstände, daß man nur enttäuscht sein kann.
Hier nur zwei Tatsachen: Die ersten Worte, die wir in der
Schrift über die Stiftung des Sabbats finden, sind diese:
,,Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn." Er
ist also ein von Gott ,,gesegneter" Tag. Wir müssen auch von
ganzem Herzen bekennen, daß er ein gesegneter Tag vor allen
anderen wurde, ein Tag, an dem Gott dem Menschen besonders
begegnen und einen Segen über ihn ausgießen will, den nur der
unendliche Lobgesang der Ewigkeiten aus dem Mund der seligen
Scharen vor Gottes Thron recht wird preisen können - einen
Segen von hoher, himmlischer Natur, der sich in unendliche
Seligkeit auflöst.
Weiter heißt es: ,,Gott heiligte den Tag." Er sollte ein
heiliger Tag vor allen anderen Tagen sein, ausgesondert nur
für heilige und himmlische Dinge. Doch welch ein Anblick!
Welch ein sonderbares Schauspiel, wenn wir bedenken, was
dieser Tag für die Welt, für den ungläubigen Menschen
geworden ist: In beiden eben genannten Hinsichten wurde er
der grellste Gegensatz, der größte Fluch und der unheiligste
Tag aller Tage. Die Arbeitstage können nach dem Gebrauch der
Welt heilig genannt werden im Vergleich mit dem Ruhetag. Die
meisten Kinder der Welt verrichten an den Arbeitstagen nur
die erlaubten Werke ihres Berufes, am Sonntag aber muß man
hinaus, um seinen Vergnügungen nachzugehen. Und dazu muß man
das haben, was das Herz begehrt, man braucht die Sünde, die
Befriedigung der fleischlichen Lüste. Der eine tut es in
gröberen Lüsten, als da sind Schlemmerei, Trunksucht oder
nächtliche Ausschweifungen; ein anderer in feinerer Weise, in
bloßer Trägheit oder im Zeitvertreib, in verfänglichen Reden
und leichtsinnigen Gesellschaften, Theatern und Spielen, -
wobei auch das, was an anderen Tagen unschuldig wäre, wie zum
Beispiel irdische Arbeit, weltliche Studien u. a. an dem
vom Herrn geheiligten Ruhetage offenbare Sünde wird. Kurz,
wie es im allgemeinen zuzugehen pflegt, so muß man dem Worte
recht geben: ,,Der Sonntag ist der Sündentag."
Daß aber der Sabbat zum Fluch wird, geschieht auch noch in
einer feineren, einer geistlichen und verborgenen Weise,
nämlich bei denen, die zwar äußerlich den Sonntag durch
regelmäßigen Kirchgang und äußerlichen Gebrauch des Wortes
halten, dies jedoch ohne Ehrfurcht und die heilige Furcht
vor dem Herrn, der im Worte mit ihnen redet, und ohne
Bußfertigkeit und Gehorsam. Sie haben darum auch so wenig
Segen von ihrem Hören, daß es ihnen besser gewesen wäre, wenn
sie an diesem Tage irdische Arbeit verrichtet hätten. Sie
haben als Frucht ihres Hörens nur eine Verhärtung und
Verstockung. Denn je mehr sich ein Sinn daran gewöhnt,
das Wort Gottes vergeblich zu hören, desto mehr wird er
abgestumpft und verhärtet. Und wer nicht mit Aufrichtigkeit
vor dem Herrn Seinem Worte sofort gehorchen und dasselbe
befolgen will, der wird ebenfalls vom Hören nur verhärtet.
So wird der Tag, den Gott, der Herr, segnete, einem
unbußfertigen und falschen Sinn zum Fluch.