2Mo 20,3
C.O.Rosenius
Du sollst keine anderen Götter haben neben Mir. 2. Mos.
20, 3.
Wir sollten einigermaßen verstehen, was das erste Gebot von
uns fordert. Wenn nun der Herr nur mit unserem Verstehen und
Wissen zufrieden wäre, dann wäre ja alles gut. Aber der
heilige Gott will etwas ganz anderes von uns haben:
Wir sollen auch danach tun, wir sollen nicht nur wissen,
verstehen und davon reden, sondern wirklich das tun, was
Er fordert. Er will nicht dulden, daß dies erste Gebot
vergessen und verachtet wird. Er will ernstlich über die
Befolgung desselben wachen. Darum hat Er an dieses Gebot
zwar eine ernste Drohung, aber auch eine herrliche Verheißung
geknüpft. Denn gerade bei diesem fügt Er hinzu: ,,Ich, der
Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der
Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte
Glied derer, die Mich hassen, und tue Barmherzigkeit an
vielen Tausenden, die Mich liebhaben und Meine Gebote
halten."
Obwohl diese Worte auf alle Gebote angewendet werden können,
muß man doch aus dieser ernstlichen Drohung erkennen, welchen
heiligen Eifer der Herr um Sein erstes Gebot hat, damit wir
es zu Herzen nehmen sollen, um wirklich danach zu tun. Wir
werden doch wohl nicht auf uns nehmen wollen, den Zorn Gottes
zu ertragen und auszuhalten? Es handelt sich hier also um
das Tun und nicht um das Wissen des Willens Gottes. So
sprach auch Jesus zum Schriftgelehrten, als dieser das
vornehmste Gebot hergesagt hatte: ,,Tue das, so wirst du
leben!." Das heißt ja tatsächlich, mit dem großen Gott Spott
zu treiben, das ist ja Heuchelei und Gaukelei vor Seinen
Augen, wenn du es dabei bewenden läßt, Sein Wort zu hören, zu
lesen, zu verstehen und zu beurteilen, dann aber davongehst
und die Befolgung selbst vergißt. Darum höre noch einmal,
wie Er spricht: ,,Du sollst keine anderen Götter haben neben
Mir." Wer soll dies tun, wenn nicht gerade du, du, der du
Seine Stimme hörst, du selbst, der du Sein Gebot liest und
verstehst. Oder sollst du nur andere es annehmen lassen?
Weshalb bist du ausgeschlossen? Der Herr sagt nicht, daß du
es tun kannst oder darfst, wenn es dir gefällt; sondern Er
sagt: ,,Du sollst - du sollst!" Es steht dir nicht frei, es
zu tun oder zu lassen, sondern du sollst es tun, oder aber
Sein gerechter Zorn, Sein gerechtes Urteil werden auf dir
lasten. Er hat ein göttliches Majestätsrecht, über uns zu
befehlen.
So sagt Er auch nicht, daß du gewisse Abgötter fahrenlassen
sollst, und daß du den einen oder den anderen behalten
kannst, sondern Er sagt: ,,Du sollst keine anderen Götter
haben neben Mir." Du hast vielleicht keinen Menschen, aber
du hast Geld zum Abgott; du hast vielleicht nicht Geld und
andere Reichtümer, aber du hast eigene persönliche
Verdienste, Tüchtigkeit, Gelehrsamkeit und andere Gaben. Du
hast diese nicht zu Abgöttern, hast aber besondere Gnade im
Geistlichen, eine besondere Erleuchtung, Weisheit, Stärke,
Gottesfurcht, die deine Abgötter sind. Der Herr sieht es und
wird einen jeden ohne Ansehen der Person richten. Es liegt
ein ewiger, göttlicher Ernst in dem Gebot: ,,Du sollst keine
anderen Götter haben neben Mir."
Bedenke darum noch einmal das Wort lieben - ,,du sollst
lieben den Herrn, deinen Gott von ganzem Herzen" usw.
,,Lieben" bedeutet doch wohl auch hier ,,lieben!" Bist du
dagegen kalt gegen Gott, so daß du nicht mit innigster Lust
zuerst und zuletzt mit Ihm umgehen, mit Ihm und von Ihm reden
willst - denn, wes das Herz voll ist, des geht der Mund über
- wenn sich deine Worte und Gedanken mehr mit anderen Dingen
beschäftigen, mögen dies auch die herrlichsten sein, so
liebst du Gott nicht. Findest du obendrein Seine Gebote
schwer, so daß du dich zu dem zwingen mußt, was Ihm gefällt,
oder bist du mit Seinem Willen unzufrieden, wenn Er dir deine
Abgötter nimmt, dir die Sünde verbietet oder dir Leiden,
Verachtung und Verlust zusendet, so liebst du Ihn nicht von
deinem ganzen Gemüt. Du liebst dich selbst mehr als den
großen Gott und Sein Wohlgefallen. Du betest den
erbärmlichsten Götzen an, nämlich dich selbst. Und dann mußt
du wissen, daß du nach dem heiligen Gesetz des Herrn zur
Hölle verdammt bist und mit allem Recht dem Teufel angehörst.
Hältst du dagegen dieses erste Gebot Gottes und danach auch
die anderen treulich, so darfst du wissen, daß Gott dir
überaus gnädig ist, daß du Ihm gefällst und für Zeit und
Ewigkeit alle Seine Güter genießen wirst.
Hier muß nun jeder Mensch ans Licht gebracht werden. Wenn du
nämlich bei solcher Betrachtung des göttlichen Gesetzes noch
gleichgültig, nur ein Hörer und Betrachter bleiben kannst,
der es anderen überläßt, es zu Herzen zu nehmen, während du
selbst davongehst und in gefährlicher Sorglosigkeit
dahinlebst, dann ist dies ein Zeichen dafür, daß du ein
leichtsinniger Gottesverächter bist, der Gott und Sein
heiliges Gesetz für ein Nichts hält. Bist du ein frommer und
religiöser Mensch, sagst aber: ,,Das kann kein Mensch
erfüllen" - und gehst weg und lebst unbesorgt um den Willen
und die Gebote Gottes in deiner vermeintlichen geistlichen
Armut dahin, einer Armut aber, die dich nicht beunruhigt,
bekümmert oder züchtigt, sondern dich sicher und
selbstzufrieden dahinleben läßt, oder gehörst du zu denen,
die da sagen: ,,Das ist wahr, so sollen Christen sein; dies
und jenes sollen sie tun", nimmst selbst aber keinen Teil an
dieser Arbeit und hast darum auch nicht gemerkt, wie so ganz
verloren es mit deiner Frömmigkeit ist, die dich flüchtig
über die Prüfung deines Herzens hinwegführt - dann solltest
du merken und wissen, daß du ein bezauberter und verblendeter
Heuchler bist -, ganz dem Pharisäer gleich, der das größte
und vornehmste Gebot richtig hersagen konnte, aber dennoch
,,sich selbst rechtfertigen wollte".