2. Mose

2Mo 15,25 A.Christlieb Wie kommt man aus den Marastationen heraus? »Mose schrie zu dem Herrn, und der Herr wies ihm einen Baum, den tat er ins Wasser, da wurde es süß« (2. Mose 15, 25).

Wohin man auch immer in unseren Tagen blickt, da sieht man Christen, die in Mara - zu deutsch: in der Bitterkeit - wohnen. Bitter sind bei dem einen die häuslichen Verhältnisse, bitter bei dem andern die Geschäftsverhältnisse. Bitter sind die weltpolitischen Zustände. Bitter ist die Vergangenheit, die hinter uns liegt, bitter sind die Aussichten für die Zukunft. Kurz, wir sind von lauter Marawasser umgeben. Da wird die Frage brennend: Welchen Ausgang finden wir aus diesen Marastationen? Wie kann die »Bitterkeit«, die uns quält, in »Süßigkeit« verwandelt werden? Unser Text gibt uns eine Antwort auf solche Fragen.

1. Der Helfer, der aus Mara herausführt

Als Israel, von Durst gequält, das bittere Marawasser nicht trinken konnte, murrte es wider Mose (V. 24). Ein Geist des Klagens, Schimpfens und Haderns, ein unzufriedener, verdrießlicher Geist breitete sich im Volk aus. Die Menschen, die noch vor wenigen Tagen am Roten Meer nach der Rettung aus Pharaos Hand Danklieder gesungen hatten, brachen jetzt aus in Klagen und in Anklagen. Ihr Murren wandte sich gegen den von Gott gesegneten Führer Mose, dem sie doch so viel Dank für treue Führung schuldeten. Hilft dieses Murren und Hadern aus dem Jammer der Marastationen heraus? Nie und nimmer! Den Weg der Hilfe finden wir nicht im Verhalten des Volkes, sondern im Handeln des Mose. Dieser zankte nicht mit dem murrenden Volk. Er nahm seine Zuflucht zu dem wahren Helfer, der allein aller Bitterkeit ein Ende machen kann: »Mose schrie zu dem Herrn.« Dieses einfache Geheimnis müssen wir uns immer wieder aufs neue vorhalten. Wer aus Mara heraus will, der wähle nicht den falschen Pfad des murrenden Volkes, sondern den richtigen Weg des ernstlich betenden Mose. Das Gebet ist eine Macht, die aus jeder Maranot heraushilft! Als Asaph nach langem Grübeln endlich ins Heiligtum Gottes ging, da hörte die Bitterkeit auf (Ps. 73, 16 u. 17). Als Simson am Brunnen des Anrufers zu Gott schrie, gab es frisches Quellwasser (Richter 15, 18 u. 19). Als Jesaja und Hiskia zu Gott schrien, hörte die bittere Not des assyrischen Angriffs bald auf (2. Kön. 19). Als der Hohe Rat den Aposteln jede weitere Predigt von Jesus verbot, war diese Verfügung Marawasser für die Gemeinde Jesu (Apg. 4, 23-31). Als sie aber alle zusammen über diese Bedrängnis beteten, bewegte sich die Stätte, und sie wurden voller Freudigkeit. Marawasser bleibt nicht bitter, wo ernstlich und anhaltend gerufen wird. Laßt uns diesen Weg an jeder Marastation gleich beschreiten! »Statt zu klagen, bete mehr!« So lautet der erste Rat aus dieser Geschichte.

2. Das göttliche Mittel zur Hilfe

Moses' Rufen war nicht vergeblich. Ob es kürzer oder länger dauerte, ob die Hilfe von oben schnell kam oder auf sich warten ließ, das wird nicht berichtet. Nur die Tatsache der Erhörung erfahren wir. »Der Herr wies ihm einen Baum.« Ein Fingerzeig Gottes, ein Wort Gottes, ein Hinweis des Herrn genügte, um aus allem Elend herauszukommen. Auch uns ist hierdurch das göttliche Mittel gezeigt, das uns aus gar mannigfachem Maraelend heraushilft. Als Paulus wegen seines Pfahles im Fleisch zum Herrn rief, empfing er eine Weisung (2. Kor. 12, 7-10). Ein Hinweis Gottes wurde ihm zuteil, der ihm den Bewahrungssegen dieses drückenden Leidens enthüllte. Mit dem Augenblick, wo ihm dieser göttliche Lichtstrahl gegeben wurde, schwand die Bitterkeit. Das Marawasser war süß geworden. Voll Freudigkeit rühmte er sich von da an seiner Schwachheit und seines Leidens. Sein Gebet war erhört. Einst traf ich auf dem Bahnhof einen Freund, der im Reich Gottes arbeitete. Er sagte mir: »Ich bete zu Gott, daß er mir eine andere Stelle geben möchte.« Nach zwei Jahren traf ich ihn wieder und fragte ihn: »Hat Gott Ihr Gebet erhört?« Er antwortete voller Freudigkeit: »Ja.« Auf meine weitere Frage, wie sich dies verhalte, da er ja doch am gleichen Platz stehe, sagte er: »Gott hat mir gezeigt, daß dies der richtige Platz für meine innere Erziehung ist. Darum tue ich meine Arbeit hier gern weiter.« Auch hier war Marawasser durch eine Weisung Gottes süß geworden. Ob Gott uns solche Weisung in der Stille des Kämmerleins oder sonstwo gibt, ob wir sie beim Lesen oder beim Hören des Wortes Gottes empfangen, ob sie uns durch den Mund eines bekannten Predigers oder des allerschlichtesten Bruders zuteil wird, das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist für uns nur, daß wir die empfangene Klarheit als von Gott uns geschenkt annehmen dürfen. Ist das der Fall, dann haben wir das rechte Mittel der Hilfe gefunden. Wie mancher wird nach überstandenen Maranöten bekennen müssen: Wenn mir nicht in meiner Not dieser oder jener aus Gottes Wort stammende Lichtblick gegeben wäre, dann hätte ich in Mara verschmachten müssen: »Wenn dein Gesetz nicht mein Trost gewesen wäre, so wäre ich vergangen in meinem Elend« (Ps. 119, 92). Auf Marastationen kann man am besten den Wert der göttlichen Weisungen schätzen lernen. Hier wird man begierig nach einem Hinweis Gottes, nach einem Lichtstrahl, der uns von oben her unseren Weg beleuchtet. Wenn droben die vollendete Schar ihr Loblied singt, dann werden die Erlösten voller Dankbarkeit rühmen, wie Gott ihnen an den einzelnen Marastationen ihres Lebens zur rechten Zeit eine Weisung gegeben hat, die ihnen zurecht- und heraushalf.

3. Eine Gebrauchsanweisung für das göttliche Mittel

Der Feldhauptmann Naeman bekam einst ein klares Gotteswort durch den Propheten Elisa, durch das er aus allem Maraelend herauskommen und vom Aussatz genesen sollte. Aber er verschmähte anfangs dieses Mittel. Er beschaute es mit kritischen Augen und verachtete es (2. Kön. 5, 10-12). So hätte auch Mose im Blick auf das von Gott gewiesene Mittel zweifeln und sprechen können: »Wie sollte dieser einfache Baum, dieses Wüstenholz, solchen Wassermengen, für Hunderttausende bestimmt, die Bitterkeit nehmen können?« Ja, wenn der Blick Moses nur an dem Baum haften geblieben wäre, so hätte er wohl ungläubig den Kopf schütteln können. Aber Mose achtete nicht auf die Geringfügigkeit des Mittels, sondern auf die Verheißung, die Gottes Wort auf dieses Mittel legte. Der Unglaube hat ganz recht gehabt, wenn er sagt: »Was für ein armseliges Ding ist solch ein Baum in der Wüste! Wie soll der das Marawasser süß machen?« Aber der Glaube spricht: »Das geringste Mittel, von Gott angeordnet, wird zum Heilmittel, das Wunder wirkt.« Der Glaube fragt gar nichts nach der Unscheinbarkeit der göttlichen Mittel. Er hat es mit Gott zu tun, der sich gerade des Unscheinbaren zu bedienen pflegt, damit seine Hand und seine Wundermacht erkannt und geehrt wird. Laßt uns von Mose lernen, wie man das göttliche Mittel recht anwendet! Als Mose die Weisung von Gott empfangen hatte, jenen Baum zu nehmen, zweifelte er keinen Augenblick, daß nun die Hilfe da sei: »Er hielt sich an den, den er nicht sah, als sähe er ihn« (Hebr. 11, 27). In gläubigem Vertrauen gegen das empfangene Gotteswort legte er jenen Baum in das bittere Wasser hinein. Sogleich durfte er auch die herrliche Erfahrung machen, daß die Bitterkeit wich. Erst galt es, im Glauben, der nicht schaut, dem Wort Gottes zu trauen. Dann folgte das Schmecken und Fühlen der göttlichen Hilfe. Hier haben wir die rechte Gebrauchsanweisung für das göttliche Heilmittel. Wie Mose den Wüstenbaum im Gehorsam gegen das Wort Gottes nahm und in das Marawasser hineinlegte, so wollen wir die uns geltenden und uns gegebenen Verheißungen und Hinweise Gottes in all unsere schwierigen Verhältnisse und Nöte, in unser Marawasser hineinlegen und sich da auswirken lassen. Dann werden auch wir erfahren dürfen, daß die Bitterkeit weicht und Maraplätze sich in köstliche Segensstätten verwandeln. Wenn einst die letzte Marastation kommt, sei es, daß die bitteren Todeswasser uns bis an die Seele gehen, sei es, daß die Trübsale der letzten Zeit der Gemeinde Jesu ein Marawasser werden, wie sie noch keines zu schmecken bekam, dann wollen wir uns der ersten Marastation in Israels Wüstenzug erinnern und auf dem göttlichen Weg - wie Mose - die Not der Marastationen überwinden.





S.Keller 2. Mose 15, 25: «... Der Herr wies ihm einen Baum, den tat er ins Wasser; da ward es süß.»

Wenn der Baum bis dicht ans Wasser geschleppt worden wäre und Aaron hätte als der Theologe der Gemeinde einen Vortrag gehalten über diese wunderbare Eigenschaft dieses Baumes, daß er bitteres Wasser süß machen könne, und die rechtgläubigen Israeliten hätten dieser rechtgläubigen Dogmatik geglaubt - so wäre das Wasser doch bitter geblieben. Nein, das Geschehnis konnte erst eintreten, wenn der Baum ins Wasser kam. Erst die Verbindung von Holz und Wasser schafft die Änderung. Das ist mir beim Christentum die Hauptsache: das Erleben der Wirklichkeit. Das Christentum in die bitteren Erdenverhältnisse hineingebracht, muß seine Kraft offenbaren, das Bitterste zu überwinden. Sei es eine unglückliche Ehe, ein siecher Leib, ein schwerer Beruf, ein seelisches Leiden - was es sein mag - das Holz muß hinein! Die Verbindung jener Bitterkeit mit dieser Süße muß mein Glaube in allen praktischen Verhältnissen des Alltags durchsetzen, und dann wird's allmählich immer klarer, daß die Bitterkeit gegen die Süßigkeit nicht aufkommen kann. Das Bittere ist von der Erde und von der Sünde, und das Süße ist aus dem Herzen Gottes gekommen! Darum ist das Süße ewig und das Bittere vergänglich.

Herr Jesus, stärke mir die Hände des Gebets, damit ich deine Kräfte wirklich in die Erdennöte hineinlegen könne. Der Baum liegt dicht am Wasser; hilf mir, ihn vollends hineinbringen. Ich vertraue dir, Herr Jesus, alle meine Bitterkeiten an. Laß mich die Süßigkeiten deiner Liebe erfahren. Amen.





C.H.Spurgeon Mara besser als Elim.

Als ich zu Mentone recht krank daniederlag, besuchte mich ein Bruder in Christo und sagte: ,,Mein lieber Freund, Sie sind nun nach Mara gekommen." Ich antwortete: ,,Ja, und das Wasser ist bitter." Dann sagte er: ,,Aber Mara ist besser als Elim," denn zu Elim tranken die Israeliten nur von dem Wasser und aßen von der Frucht der Palmenbäume, und das ging bald vorüber; aber von Mara lesen wir, daß Gott ihnen daselbst ein Gesetz und ein Recht stellte, und das ging nie vorüber. Gesetz und Recht bleibt bestehen und wird bestehen, so lange Israel ein Volk ist. So birgt Mara viel mehr Vorteile als Elim." Ich dankte meinem Freund für die guten Worte. Ich hatte sie schon früher als wahr erfunden; ich habe sie seitdem als wahr erfahren, und wenn wir wirklich Gottes Volk sind, werden wir es bis ans Ende als wahr erfahren, daß Mara, wenngleich es bitter ist, doch viel besser ist, und wenngleich wir es nicht mögen, so wird schließlich doch nichts Bitteres, sondern eine unaussprechliche Süßigkeit drin sein, die durch Zeit und Ewigkeit unser Gut sein wird.