1Mo 34,25
J.Kroeker
Von Simons und Levis Fall.
"Es begab sich aber am dritten Tage, da es sie schmerzte,
dass die beiden Söhne Jakobs, Simeon und Levi, Dinas Brüder,
ein jeder sein Schwert nahmen, heimlich in die Stadt
eindrangen und alles Männliche umbrachten." 1.Mose 34,25.
Leider lebten auch Jakobs Söhne nicht mehr in dem Geiste
ihres Ahnen. Sie atmeten bereits Sichems Geist, bevor Chamor
sie um eine engste Geistesgemeinschaft mit ihnen bat. So
berechtigt ihre innere Betrübnis auch darüber war, dass
ihre Schwester Dina durch Schechem entehrt worden war, so
verwerflich waren die Schritte und Mittel, die sie als
Vergeltung unternahmen. Sie missbrauchten die Beschneidung,
dieses heilige Bundeszeichen, das dem Abraham Symbol und
Ausdruck der innerlichen Loslösung von allen fleischlichen
Mitteln gewesen war, um durch List und Betrug Macht über die
Männer Sichems zu gewinnen. Nichts ist aber widerlich er in
der Welt, als wenn heilige Dinge nur noch als Umhüllung
dienen müssen, die abgrundtiefe und satanische Hässlichkeit
einer falschen Seele zu verdecken. Unter dem Vorwand, dass
sie sich schämten, einem Unbeschnittenen ihre Schwester als
Frau zu übergeben, bereiteten sie eine Tat vor, die weit
schändlicher war als die Chamors. Der Sichemite besaß
nicht die hohe Erkenntnis, die Jakobs Söhne auf Grund der
wunderbaren Erlebnisse mit Gott in den Zelten ihres Vaters
besitzen mussten. Schechem sündigte ohne Gott, Jakobs Söhne
jedoch wider Gott.
Denn als Chamor und die Männer von Sichem auf den Vorschlag
eingingen, sich beschneiden zu lassen, und sie alle am
dritten Tag in ihrem Schmerz saßen, "da nahmen zwei der Söhne
Jakobs, Simeon und Levi, Dinas Brüder, jeder sein Schwert,
kamen über die in Sicherheit ruhende Stadt und erschlugen
alle Männlichen."
Gewiss war es eine verbrecherische Tat an den Zelten Jakobs,
dass Chamor Dina in seinem sicheren Raubverließ gefangen
hielt. Verständlich war daher auch die innere Empörung
Simeons und Levis. Niemals lassen sich aber verbrecherische
Taten durch heilige Motive rechtfertigen. Nicht nur, dass
die beiden Brüder der Dina Chamor und Schechem erschlugen,
sie töteten auch alles Männliche des Ortes, raubten hernach
mit den anderen Brüdern zusammen die Stadt aus, entführten
die Frauen und Kinder als Sklaven und eigneten sich Sichems
Güter und Herden als Besitz an. Um so einer Mission willen
hatte Abraham nie aus Vaterland, Freundschaft und Vaterhaus
hinausgehen brauchen. Die kannte die Menschheit auch ohne
den Geist der Offenbarung und des Glaubens. Wer erlittenes
Unrecht als Vorwand ausnutzt, viel größere Verbrechen
am Nächsten zu begehen, dem fehlt zunächst die wahre
Geistesverwandtschaft mit der Berufung Abrahams und
dessen Weltmission.