1Mo 32,26
A.Christlieb
Wie wird man ein Überwinder?
»Jakob kämpfte mit dem Engel und siegte, denn er weinte und
bat ihn« (Hos. 12, 5).
»Das Gelenk der Hüfte Jakobs ward über dem Ringen mit ihm
verrenkt« (1. Mose 32, 26).
Den Namen »Gottesstreiter« und »Überwinder« möchten viele
bekommen. Laßt uns an Jakobs Gebetskampf den Weg zur
Erlangung dieses Zieles lernen! Drei Hinweise gibt er uns.
1. Jakob weinte
Was bedeuten diese Tränen Jakobs? Etwa rührende Gefühle?
Wenn es darauf ankäme, würden viele Tausende auf dem Wege
zur Überwinderkrone sein. Scharen von Menschen sind oft
tief gerührt, werden aber doch niemals »Überwinder«.
Jakobs Tränen bedeuten mehr. Sie bedeuten Schmerz. Was
schmerzt ihn? Das, was jeden sündigen Menschen mit Weh
erfüllt, wenn er Gott begegnet, nämlich: die sündliche
Vergangenheit. Jakob hatte Grund zu weinen. In seinem Leben
finden sich dunkle Flecken. Unlauter und listig ist er
manchmal vorgegangen. Jetzt steht Gott vor ihm als sein
Gegner, der mit ihm rechten will. Was soll Jakob machen?
Soll er Gott überwinden, indem er sich selbst rechtfertigt
und entschuldigt? Soll er Gottes Feindschaft abwenden, indem
er sagt: »Meine Mutter Rebekka ist schuld gewesen, sie hat
mich zur List angehalten«? Weist Jakob auf seine ehrliche,
mühevolle Arbeit bei Laban hin (1. Mose 31, 6)? Beruft er
sich darauf, daß er - dem göttlichen Befehl gehorsam - von
Laban weggezogen sei (1. Mose 31, 13)?
Nein, tausendmal nein. Durch Selbstentschuldigung überwindet
man Gott nicht. Jakob »weint«. Das überwindet Gott.
Wenn Gott bei einem Menschen Schmerz und Reue sieht, so läßt
sich der heilige Gott von einem schwachen Geschöpf
überwinden.
Das ist der Weg zur Überwinderkrone. Die große Sünderin ging
ihn, als sie bei Jesus Tränen vergoß (Luk. 7, 37 u. 38).
Petrus wandelte auf diesem Pfad, als er hinausging und
bitterlich weinte (Matth. 26, 75). Daß wir doch lernten,
über unsere Vergangenheit den Stab zu brechen! Daß wir gar
nichts mehr anzubringen hätten vor dem wider uns stehenden
Gott als Bußtränen! Dann würden wir bald, wie Jakob, einen
Segen erlangen.
2. Jakob bat Gott
Während die Tränen auf die reuige Abkehr von der sündlichen
Vergangenheit hindeuten, weist der Ausdruck »bitten« auf die
ausgestreckte Bettlerhand hin, die den neuen Segen aufnehmen
möchte. Jakob selbst hat nichts Gutes zu bringen. Er spürt
aber, daß Gott ihm etwas Gutes zu geben hat. Er weiß, daß es
einen Segen gibt, den er unbedingt haben muß, und um diesen
Segen fleht er.
Das ist der Weg zur Überwinderkrone. Wie der verlorene Sohn
nicht nur seine in den Himmel reichenden Sünden bekannte,
sondern Aufnahme suchte im Vaterhaus (Luk. 15, 20 u. 21),
so wollen auch wir es wagen, aufgrund des teuren Gotteswortes
um Jesu willen Segen und Erbarmung zu erflehen. Wie gerne
reicht Gott sie dem ärmsten Sünder dar! Wie mancher ist
Überwinder geworden auf diesem heiligen Weg: weinen und
bitten, Schmerz tragen über die Vergangenheit und dennoch
nicht verzagen, sondern Gottes Erbarmen erflehen!
3. Jakob ließ sich die eigene Kraft lähmen
Dieses Dritte gefällt nicht jedem. Es ist aber auch nötig,
wenn man den Titel eines wahren Gottesstreiters erhalten
will. Jakobs eigene Kraft wurde zerbrochen. Seine Hüfte
wurde ihm verrenkt über dem Kampf mit Gott.
Wie verschieden sind doch die Helden im irdischen Leben von
den Helden vor Gott! Zu äußerem Heldentum gehört möglichst
große eigene Kraft. Zu göttlichem Heldentum ist diese gerade
hinderlich. Gott zerschlägt uns alles Selbstvertrauen. Die
Hüfte, die »gelähmt« werden muß, ist bei dem einen diese, bei
dem andern jene verkehrte Eigenschaft. Gottes Kraft ist eben
nur in den Schwachen mächtig. Als Mose in seinen eigenen
Augen unbrauchbar geworden war, konnte Gott ihn brauchen
(2. Mose 3, 10-12).
Unsere eigene Kraft ist ein Hindernis zur Erlangung des
Überwindernamens. Durch Weinen, Bitten und Schwachwerden hat
Jakob den Namen eines Gotteshelden bekommen. Wohl uns, wenn
wir uns auch diesen Jakobsweg führen lassen!
C.Eichhorn
Israel oder: Durch Nacht zum Licht (III)
Da er sah, daß er Jakob nicht übermochte, rührte er
das Gelenk seiner Hüfte an, und das Gelenk der Hüfte
ward verrenkt. 1. Mose 32, 26
Wie ist das zu verstehen, daß Jehova ihn nicht übermochte?
War Jakob stärker als Gott? Allerdings gibt es etwas im
Menschen, was Gott nicht ohne weiteres bezwingen kann.
Es ist der Wille. Der allmächtige Gott kann den Menschen
zermalmen. Aber den Willen des Menschen kann die Allmacht
nicht besiegen. Der Mensch muß ihn selbst ausliefern. Gott
kann nicht durch äußere Gewalt den Menschen zur Übergabe
zwingen. Das muß von innen heraus kommen.
Gott naht dem Gewissen des Menschen mit der Wahrheit. Doch
kann der Mensch sein Gewissen betäuben, verhärten,
verstocken. Hört er auf die Stimme seines Gewissens, so wird
er von innen heraus überzeugt und überwunden. Er kann nicht
anders, er muß Gott recht geben, wenn er ihn richtet und
verurteilt. Die Macht der Wahrheit ist es also, durch die
Gott den Menschen überwindet. Und dann gibt es noch eine
andere Macht, durch die Gott uns Menschen besiegt. Es ist
die Kraft seiner Liebe, durch die er unser Herz erweicht,
die Härte unserer Selbstsucht bricht, daß wir überwunden ihm
zu Füßen fallen. Auch gegen die Liebe Gottes kann sich der
Mensch verschließen und sie von sich stoßen. Sie ist aber im
Verein mit der Wahrheit das durchschlagende Mittel, ihn zur
Übergabe zu bringen. Die Wahrheit allein bringt ihn nicht so
weit. Die Liebe führt den entscheidenden Schlag.
Auch sonst hat Gott noch allerlei Mittel zum Zerbrechen.
Damals wurde das Hüftgelenk des Jakob verrenkt. In der Hüfte
ist der Sitz der Kraft. Gott hat also seine Naturkraft
gelähmt und ihm für alle Zeiten einen Hemmschuh angelegt.
So hat Gott ihn überwunden. Er ließ den Jakob seinen Zorn
fühlen, seine Schrecken auf seine Seele fallen. Sein Zorn
richtete sich aber nicht eigentlich gegen Jakob, sondern
gegen seine Sünde, gegen sein böses altes Wesen. Im Grunde
ist ja nicht Gott der Feind, sondern in uns ist Feindschaft,
Widerstreben gegen Gott. Wenn der Mensch zur rechten
Erkenntnis kommt, fällt es ihm wie Schuppen von den Augen:
Nicht Gott ist dein Feind, du bist Gottes Feind. So ist es
auch in jener Stunde in der Seele des Jakob klargeworden:
Gott hat es gut mit dir gemeint. Er ist dir schon vor
zwanzig Jahren liebreich entgegengekommen. Als du damals den
einsamen Weg der Flucht gingst, ist er auch in dunkler Nacht
dir nahegetreten, aber nicht drohend und strafend. Er hat
dich seine Freundlichkeit schmecken lassen, zeigte dir die
Himmelsleiter, auf der die Engel auf- und abstiegen, ließ
dich einen Blick in den Himmel tun und gab dir die tröstliche
Versicherung: Ich bin mit dir. So kam dir Gott liebend
entgegen. Und du, wie warst du? Das wirkte tief demütigend.
Gott hatte gewonnen.