1. Mose

1Mo 19,1 J.Kroeker Vom Versagen unseres Glaubens.

"Die zwei Engel kamen gen Sodom des Abends, Lot aber saß zu Sodom unter dem Tor ..." 1.Mose 19,1.

Dieses Sitzen im Tore der Stadt zeigte, welch ein öffentliches Vertrauen Lot bereits innerhalb der Bürgerschaft Sodoms genoss. War doch in jenen Zeiten das Tor nicht der Sitz der gewöhnlichen Bürger, sondern das öffentliche Forum des Rechts und des bürgerlichen Lebens. Im Tor saßen nur Könige, Richter und die ersten Würdenträger der Stadt, von denen das Volk seine Rechtsentscheidungen und seine Leitung erwartete. Was dem einzelnen Familienglied die Familie ist, das sollten die Ältesten den Bürgern der Stadt sein.

Wie Lot zu dieser Ehrenstellung in Sodom gelangt war, teilt uns die biblische Erzählung nicht mit. Wenn Sodom dann und wann einmal auf ihren ersten Posten Raum auch für die "Gerechten" hatte, so geschah es in der Regel auf Grund der Tatsache, dass die Gerechten entweder ihre wahre innere Stellung verleugneten, oder es waren Zeiten schwerster Nöte, wo man den Gerechten zur Rettung nötig hatte. Wenn Gottes Auserwählte erst selbst Welt wurden und ihre Prophetenmission, zu der sie berufen waren, verloren, dann fürchteten sich die Bürger Sodoms nicht mehr, Lot einen Ehrenplatz im Tor ihrer Stadt zu gewähren. Schweigt Lot erst als Prophet zu Sodoms Sünden, dann kann er eines Tages auch als Ehrenbürger zum Volk Sodoms reden. Nachdem sein Leben aufgehört hat, ein unbestechliches Gewissen inmitten der herrschenden Staatsmoral zu sein, lässt auch Sodoms Volk sich Lots Rechtsprechung gefallen. Denn wer erst angesichts widergöttlicher Weltsitten das Gebundensein des Glaubens an Gott verlor, dem bot sich vielfach gar bald die Gelegenheit zur öffentlichen Weltvermählung.

Lot aber war offenbar nicht infolge allgemeiner Not und innerer Ratlosigkeit von den Bürgern Sodoms zum Richter ihrer Stadt berufen worden, sondern weil sie in dem öffentlichen Verhalten Lots und dem ihrigen keinen Unterschied mehr fanden. Auch machte ihn seine hohe Ehrenstellung nicht mehr stark genug, im öffentlichen Leben eine Wandlung zum Guten hin herbeizuführen. Lot hatte zwar noch göttliches Leben genug, dass er selbst im entscheidenden Augenblick errettet werden konnte, er besaß aber nicht mehr die Kraft, das Ganze vor dem Untergang zu bewahren. Um selbst wie ein Brand aus dem Feuer, aus einem Gericht errettet zu werden, genügt es, ein Lot zu sein, wenn man aber auch andere retten will, muss man ein Abraham sein. Laue haben nie die Welt warm gemacht, innerlich gebrochene Prophetenseelen haben nie die Sprache zum Heil ihrer Zeit gefunden.