1Mo 12,9
J.Kroeker
Von Abraham und seinem Fall.
"Danach brach Abraham auf und zog immer weiter nach Süden.
Da aber eine Hungersnot im Lande herrschte, zog er nach
Ägypten hinab, um sich daselbst aufzuhalten." 1.Mose 12,9 f.
Auch jener Boden, auf den der Glaube sich gestellt sieht und
auf dem sein Segen und seine Zukunft liegen sollen, kann eine
Hungersnot erleben. Das Geheimnis für das sittliche und
äußerliche Gedeihen Abrahams soll nicht in einer dauernden
Fruchtbarkeit seiner Heimat, sie soll vielmehr in seinem
Glaubensverhältnis zur göttlichen Offenbarung liegen. "Ich"
will dich segnen! schrieb die göttliche Verheißung über die
Zukunft Abrahams. Damit machte Gott Abrahams Leben und Segen
unabhängig von den Wechselerscheinungen jenes Landes, in das
er sich verpflanzt sah. Und doch ging Abraham "nach Ägypten
hinab". Er erkannte nicht die Versuchung, die in der
eingetretenen Hungersnot für seine Glaubensstellung zur
göttlichen Offenbarung lag. Gottes Leitung garantierte an
sich niemals einen Weg und eine Zukunft, die ohne Prüfungen,
Kämpfe, Leiden und Opfer sein werden. Aber sie garantiert,
dass wir bei aller Separation doch nicht allein sein werden,
dass Gott uns in der Dürre mit "Honig aus dem Felsen sättigen
wird", dass niemals eine Prüfung über die Kraft der Gnade
hinausgehen soll, in der auch wir die Welt überwinden können.
Nicht Vorhandenes dem Abraham nehmen, sondern Neues seinem
Glauben erschließen will die göttliche Offenbarung, wenn sie
über jenes Land eine Hungersnot kommen lässt, in dem er seine
Heimat und Zukunft finden soll.
Es war selbstverständlich für den Menschen, dass Abraham
angesichts der schweren Hungersnot hinab nach Ägypten zog.
Schon damals galt Ägypten mit seinen nie versagenden
Fruchtfeldern am Nilstrom als "die Kornkammer" der Welt.
Aber so verständlich es vom Standpunkt des Menschen aus war,
so unverständlich war es vom Standpunkt des Glaubens aus.
Denn der Glaube und sein Handeln sind gebunden an die Leitung
der göttlichen Offenbarung. Abraham ließ sich aber nicht
durch göttliche Führung, sondern durch den Druck der
Verhältnisse und durch die Fruchtbarkeit Ägyptens in seinem
Entschluss bestimmen.
Gelöst von der göttlichen Offenbarung kann aber auch
der Glaube Abrahams nicht bestehen. Er ist fähig, auf
selbsterwählten Wegen seine heiligsten Güter zu verleugnen.
Denn als Abraham sich den Grenzen Ägyptens näherte, sprach er
zu seiner Frau Sarai: "Siehe, ich weiß es doch, dass du von
Ansehen eine schöne Frau bist. Wenn dich nun die Ägypter
sehen werden, so werden sie sagen: "Dies ist seine Frau" und
werden mich töten und dich am Leben lassen. Sage bitte, du
seiest meine Schwester." So fängt auch das Leben Abrahams an,
lauter Berechnung zu werden, sobald es sich unabhängig macht
von der göttlichen Offenbarung.