1Mo 12,6
J.Kroeker
Vom Wandel mit Gott.
"Und als sie ins Land Kanaan kamen, durchzog Abram das Land
bis zur Ortschaft Sichem, bis zur Orakelterebinthe Morehs ...
Da erschien der Herr dem Abram und sprach: Deinem Samen will
Ich dieses Land geben." 1.Mose 12,6 f.
Unser Gott ist in seiner Heilsgeschichte immer ein
wunderbarer Gott gewesen. Vielfach bestand sein Handeln, von
uns Menschen aus gesehen, aus lauter inneren Widersprüchen,
die in der Führung derer lagen, die seiner göttlichen
Offenbarung im Glauben folgten. So auch in der Berufung
Abrams. Ur war der Hauptsitz des uralten chaldäischen Kultus
zu Ehren der Mondgottheit Sin. Aus dieser götzendienerischen
Umgebung suchte Gott den Abram durch die an ihn ergangene
Berufung herauszuführen, damit er ein Segen für die Völker
werde.
Und Abraham hatte in seiner Sehnsucht Gottes Berufung
verstanden. Er nahm seine Frau, seinen Neffen Lot und seine
Knechte und Mägde und verließ Heimat, Verwandtschaft,
Vaterhaus, um der göttlichen Berufung zu folgen. Heute
wissen wir, dass mit solch einem Gottesruf eine Welterlösung
und mit solch einer Glaubensentscheidung eine zukünftige
Weltmission verbunden sein kann.
Das war bei Abrams Berufung noch nicht sichtbar. Als er aber
nach Kanaan und daselbst bis zum Orte Sichem kam, wo sich in
der Nähe der Heilige Hain Moreh mit der Orakelterebinthe
befand, da erschien ihm der Herr und sprach zu ihm: "Deinem
Samen gebe ich dieses Land!" Menschlich gesprochen konnte
die Wahl der Niederlassung kaum unglücklicher getroffen
worden sein. Denn gerade Kanaan und hier Sichem schien der
ungeeignetste Ort zu sein, den die Offenbarung zur Wiege und
zum zukünftigen Heimatort der Heilsgeschichte erwählen
konnte. Stand doch das ganze Land in seinem weitesten Umfang
unter dem geistigen und moralischen Einfluss der entartetsten
Stämme der Geschlechter Noah.
Und doch ward gerade in diesem Lande "der Herr dem Abraham
sichtbar." Mittelpunkt dieses Landes war Sichem. Es war die
Hochburg des Landes mit den ältesten Kultusstätten, welche
die kanaanäischen Völkerstämme besaßen. Zu welch einer
Gesunkenheit und Fäulnis man in diesem Lande fähig war,
wurde sichtbar an den später untergehenden Städten Sodom
und Gomorra. Da war die gemeinste Schamlosigkeit zur
städtischen Moral geworden.
Das ist aber Gottes Art, sein Heil zu offenbaren und
Geschichte werden zu lassen. In seiner Barmherzigkeit steigt
Er in die tiefsten Tiefen unserer menschlichen Hölle und
unseres Todeszustandes hinab, um von da aus durch Offenbarung
ein "Neues" zu schaffen. Er erwählt, was töricht ist vor der
Welt und macht Kanaan zum Mittelpunkt einer zukünftigen
Heilsgeschichte. Denn wo die Sünde mächtig geworden ist, da
erwies sich Gottes Erbarmen mit seinem Heil noch immer als
weit mächtiger.