1Mo 10,8
A.Christlieb
Nimrod fing an, ein gewaltiger Herr zu werden auf Erden und
war ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn. Der Anfang seines
Reiches war Babel; und er baute Ninive und Resen. Dies ist
die große Stadt. 1. Mose 10, 8-12
In Nimrod haben wir ein Bild großer Erdenherrlichkeit vor
uns. Er war der Enkel des Ham, den Noah verflucht hatte.
Aber, obwohl er zu diesem verfluchten Geschlecht gehörte,
stieg er doch äußerlich zu großem Glanz empor. Er war nicht
nur ein gewaltiger Jäger, der es mit den stärksten Tieren
aufnahm, er war auch der Gründer eines großen Reiches.
Babel, Erech, Akkad und Chalne waren der Anfang seines
Reiches. Man hätte denken können, das sei genug gewesen.
Aber Nimrod war nicht befriedigt. Ein unersättlicher
Tatendrang trieb ihn weiter. Immer neue Städte, Länder und
Reiche mußte er beherrschen, immer größere Herrlichkeiten
besitzen. Er zog nach Assyrien, baute Ninive, Rehoboth-Ir
und Kalah, dazu Resen, die große Stadt. - Was soll uns das
zu erkennen geben? Wer irdischer Größe, Macht und Reichtum
nachjagt, wird niemals satt. Er muß immer mehr haben. Hätte
jemand den Nimrod gegen das Ende seines Lebens gefragt:
,,Hast du jetzt genug? Bist du jetzt glücklich?", er hätte
gesagt: ,,Dies ist nur der kleine Anfang! Ich muß die
ganze Welt gewinnen!" Tersteegen war es gegeben, die
Unersättlichkeit des Menschen zu kennzeichnen und zu
erklären. Er sagt: ,,Hab, was du willst; sei's noch so viel,
dein nagend Hungern hat kein Ziel. Hab, was du willst, stets
heißt's aufs neu, ach, hätt' ich jenes noch dabei! Und hast
du's auch, so ist's nur Rauch. Wie du's gefunden, ist's
schon verschwunden. Gott bleibt allein!" - ,,Nur Gott
allein! O güldnes Wort, such's, wo du willst, am andern
Ort, du find'st es nicht! Und wenn's geschieht, auch dein
Gefundnes ist es nicht. Wer nicht begehrt, dem wird's
gewährt in Gott allein."
J.Kroeker
Von Nimrod und seinem Fall.
"Auch zeugte Kusch den Nimrod; der fing an, ein Gewaltiger zu
sein auf Erden. Und der Anfang seines Königreichs war Babel,
Erek, Akkad und Kalne im Lande Sinear." 1.Mose 10,8 ff.
Nimrod fiel, indem er seine Gabe missbrauchte zur Knechtung
seiner Brüder. Durch ihn, den Enkel Hams und Sohn Kuschs,
wurde auch nach dem Flutgericht wieder eine ganz neue Idee in
die Entwicklung jener Völker getragen, die in Noah ihren Ahn
hatten. Er fing an, ein "Held zu sein auf Erden". Er atmete
wieder den Geist Kains und Lamechs, d.h. jener Urväter, cdie
eine Kulturwelt geschaffen hatten, die in einem Flutgericht
enden musste. Nimrod erhob das Heldentum zu einem besonderen
Beruf. In diesem fand er den eigentlichen Zweck und den ihn
befriedigenden Inhalt seines Lebens. Er machte ihn daher zur
Grundlage seiner Existenz.
Es ist nun überaus bezeichnend, dass dieser Nimrod der Enkel
jenes Ham war, der sich an dem Fall seines Vaters Noah
ergötzen konnte. Ham kannte nichts von dem Geiste eines
Priestertums, das die Schuld des Nächsten in zudeckender
Liebe trägt und dem Gefallenen zu helfen sucht. Sein Enkel
Nimrod ging nun dazu über, durch Klugheit und Kraft, die er
besaß, seine Umgebung sich und seinen Zielen dienstbar zu
machen.
Nun kann jede Gabe, die wir in uns entdecken, uns entweder
zum Segen oder zu einer Verführung werden. Sie segnet uns,
wenn wir durch sie andere segnen. Sie verführt uns, sobald
uns ihre Stärke zur Knechtung der Schwächeren führt. Das
Entscheidende bei jeder Gabe ist mithin die Gesinnung,
in deren Dienst sie steht. Unter der Herrschaft einer an
Gott gebundenen Geisteshaltung hebt und trägt, segnet und
tröstet, adelt und begnadet sie. Im Dienste der menschlichen
Selbstsucht jedoch schwächt und beraubt, erniedrigt und
knechtet, entheiligt und veruntreut sie alles, über das
sie entscheidenden Einfluss zu gewinnen vermag.
Dass in dem Leben eines Nimrod aber nicht das Sittliche,
sondern die rücksichtslose Selbstsucht bestimmend wirkte,
geht aus den Worten hervor: "Er war ein verschlagener
(hinterlistiger) Held vor dem Herrn." In ihm wurde mithin
bereits jene unheilvolle Gewaltherrschaft sichtbar, die sich
seitdem je und je in der Entwicklungsgeschichte der Völker
zu behaupten verstand. Sie hatte nie ihre Basis in der
freiwilligen Unterordnung der Menge unter die Herrschaft des
einzelnen. Sie wurde stets aus Gewalt und List geboren und
führte zu jenem seelenlosen, modernen Kulturbolschewismus,
unter dessen Druck die Zeitgenossen verelendeten und
verbluteten. Kein Menschenleben war zu teuer, kein
Opfer eines Volkes zu groß, wenn es galt, die Ehr- und
Herrschsucht, den Eigenwillen und die Brutalität einer
gekrönten oder ungekrönten Nimrodseele zu befriedigen.