1Mo 9,21
J.Kroeker
Von Noah und seinem Fall.
"Noah aber begann und legte als Landmann einen Weinberg an.
Als er aber von dem Weine trank, war er trunken und entblößte
sich in seiner Hütte." 1.Mose 9,21.
Einst war Noah stark gewesen, wie ein Fels einem ganzen
Zeitalter gegenüberzustehen, das sich berauschte an den
großen Kulturschöpfungen seines eigenen Geistes. Derselbe
Noah fiel aber, als er auf der aus dem Gericht neu
erstandenen Erde seinen Weinstock ziehen und dessen Früchte
genießen durfte. In seinem Herzen und in seinem Leben hatte
er zwar die Dinge gerichtet, die seinen Zeitgenossen zum
Gericht gereichten. Sein Fall machte aber offenbar, dass er
als erlöster Mensch, wenn auch in viel feinerer Form, zu
denselben Sünden fähig war. Ja, vielleicht darf man ganz
allgemein die große Wahrheit feststellen, dass bisher in
der Heilsgeschichte der erlöste Mensch am ersten fiel durch
Berauschung an den Schöpfungen der eigenen Hand und an den
Segnungen jenes neuen Bodens, auf den er sich durch eine
Gottestat verpflanzt sah.
Noah flüchtete ins Zelt, als er wahrnahm, dass der Genuss
von dem Segen des Weinstockes ungewollte Wirkungen bei ihm
ausgelöst hatten. Wäre nicht Ham in seiner Pietätlosigkeit
dem Vater in sein Zelt nachgegangen, dann hätte vielleicht
niemand Noahs Fall gesehen. Jedoch, was Noah seiner Zeit
tat, indem er, um seinen Rausch zu verbergen, ins Zelt
flüchtete, ist später in der Geschichte lange nicht immer
von dem erlösten Menschen getan worden. Wie oft führte der
Rausch auf irgendeinem Gebiete des religiösen und geistlichen
Lebens ebenfalls zu all den schmerzlichen Erscheinungen, mit
denen ein solcher im natürlichen Leben verbunden sein kann.
Und Gott ließ Noahs Fall zu. Ja, Er musste ihn zulassen,
um seinen Knecht tiefer erlösen zu können. Wir stehen hier
wieder vor einem der größten Geheimnisse der Erlösung. Der
Mensch gelangt zur Erlösung von seinem unerlösten Wesen
vielfach erst auf Grund seines Falles. Im Fall wird
sichtbar, inwieweit noch eigene Kräfte, die er nicht bewusst
gerichtet hat, in ihm wirksam sind.
Petrus konnte von seinem Selbstbewusstsein erst erlöst
werden, nachdem er den Herrn dreimal verleugnet hatte.
Solange der gerettete Mensch all das Unheilige seines
Wesens, das er mit durch das Gericht über das Fleisch
hindurchgerettet hat, unter die Herrschaft des Geistes
stellt, wird es nicht sichtbar. Sobald aber der Geist vor
einer seelischen Berauschung weichen und zurücktreten muss,
tritt es in seiner ganzen Hässlichkeit in die Erscheinung.
Aber der Herr selbst überwacht solche Sichtungsstunden
für seine Jünger, damit ihr Glaube nicht aufhöre. Was Er
erreichen will, ist die Sonderung des Weizens von der Spreu.
Erlöste sollen erlöster werden von dem, was sie unbewusst
aus der alten Welt in die neue mit hinübergerettet haben.