1Mo 4,19
J.Kroeker
Von Lamech und seinem Fall.
"Lamech aber nahm sich zwei Frauen, eine hieß Ada, die andere
Zilla. Und Ada gebar Jabal; derselbe war der Vater der
Zeltbewohner und Herdenbesitzer. Und sein Bruder hieß Jubal;
derselbe war der Vater aller Harfen- und Flötenspieler.
Und Zilla, auch sie gebar, den Tabul-Kain, den Meister in
allerlei Erz- und Eisenwerk. Und die Schwester Tubal-Kains
war Naama." 1.Mose 4,19 ff.
Eine wunderbare Beleuchtung menschlicher Selbstbehauptung
gibt uns die Uroffenbarung in Lamechs Fall und seiner
Kulturgewinnung. Nicht nur räumlich, aus dem innerlichen
Verhältnis zu Gott hatte Kain sich zurückgezogen, als er
vom Angesichte des Herrn wegging und sich im Lande Nod
niederließ. Allein auf sich angewiesen, begann er hier sein
Lebenswerk. Er wurde Städteerbauer. Was ihm geblieben, war
nur seine eigene Persönlichkeit mit jenem Maß von geistigen
Kräften und Fähigkeiten, die an sich jeder gesunde Mensch in
sich trägt.
Von diesem Kraftfeld der eigenen Persönlichkeit aus suchte
er sich seine Existenz und Zukunft zu gründen. Die
Willensrichtung der damaligen Welt war daher nur auf den
Aufbau einer Kultur ohne Gott und auf die Erweiterung der
eigenen Macht eingestellt. Dies war das geistige Erbe, das
man damals von Kain übernahm. Es war der große Versuch,
sich auf Erden dauernd eine Existenz zu schaffen auch ohne
Gott, allein auf Grund von Volksbeherrschung, Handel und
Städteleben.
Eine Reife dieser von kainitischen Geistesprinzipien
befruchteten und getragenen Kulturentwicklung erlangte die
Geschichte im genannten Lamech, dem Enkel Mechijaels. In ihm
feierte die kainitische Geschichtsentwicklung den Mann, der
der damaligen Kulturwelt den weitesten Raum, die höchste
Geltung und scheinbar die gesicherteste Zukunft verschaffte.
Diesem starken Mann jener Tage wurden drei Söhne geboren,
durch die alsdann das ganze Kultur- und Städteleben zu nie
da gewesener Entwicklung gelangte. Mit ihnen wurden ganz
neue Kulturwerte in das Gesellschaftsleben und in die
Machtentwicklung ihrer Zeit für die Zukunft hineingetragen.
Zur Macht, zu der man sich bisher bekannt hatte, kamen der
Erwerb, die Kunst, die Industrie und die Pflege der
Schönheit.
So gestaltete und rundete sich das damalige Kulturleben immer
mehr zu einem organischen Gemeinwesen und Gesellschaftskörper
ab, der gesund in seiner Seele, machtvoll in seinem Wirken,
glücklich in seinem Leben und schön in seinem Gesamtbild zu
sein schien. Man fand seinen Schutz in der eigenen Faust,
seinen Reichtum im materiellen Wertbesitz, seine Religion in
der Pflege der Kunst und seine Anbetung im sinnlichen Kultus.
Der Mensch bedurfte Gottes nicht mehr und konstatierte durch
die Entwicklung seine Unabhängigkeit von Gott: er genügte
sich selbst!