1Mo 3,12
C.O.Rosenius
Da sprach Adam: Die Frau, die Du mir zugesellt hast, gab mir
von dem Baum, und ich aß. 1. Mos. 3, 12.
Hier treten Adams Verderben und Bosheit so recht an den Tag.
Er hat die bestimmte Frage bekommen, ob er nicht gesündigt
habe, und kann deshalb dem nicht entgehen, von dieser Sache
zu reden. Aber was tut er? Statt ein Wort der wahren
Erkenntnis zu finden, sucht er sich zu entschuldigen: ,,Die
Frau, die Du mir zugesellt hast, war die Ursache, daß ich
aß." Das ist also das erste, was die gefallenen Menschen
kennzeichnet: Sie bekennen sich nicht zu ihrer Sünde, sondern
wollen unschuldig sein. Als der Herr sich dann an die Frau
wandte und fragte: ,,Warum hast du das getan?", hatte sie die
gleiche Antwort wie Adam; sie führte dieselbe Rede, daß sie
nämlich von einem anderen verleitet worden sei. Sie sprach:
,,Die Schlange betrog mich also, daß ich aß."
Diese Art ist so bezeichnend für die Natur des Menschen, daß
wir sie schon bei Kindern finden, sobald sie zu sprechen
angefangen haben. Wurde ein Fehler begangen, suchen sie ihn
gleich auf ihren Nächsten zu schieben. Diese unsere Natur
offenbart sich beständig in größeren wie in kleineren Dingen:
Vor den Menschen will niemand die Schuld auf sich nehmen,
niemand seine Torheiten bekennen, sondern man verbirgt und
entschuldigt sie, auch wenn man sich im Innern schuldig
fühlt. Vor Gott will man nie stillhalten und seinen
Gerichten recht geben, sondern man sucht sich immer zu
entschuldigen und zu verteidigen, was der Grund aller
Sicherheit, Unbußfertigkeit und Unseligkeit ist. Wird der
Mensch nun aber von dem Gesetz Gottes härter angegriffen und
gedrängt, dann steigt die Bosheit noch höher, dann wird er
bitter gegen Gott den Herrn, der uns erschaffen und uns Sein
Gesetz gegeben hat.
Das nämlich ist das andere, was wir in Adams Antwort finden:
Nicht nur, daß er sich entschuldigt, er will dazu noch die
Schuld auf den Herrn schieben, indem er sagt: ,,Die Frau, die
Du mir zugesellt hast, gab mir" usw. Man merkt deutlich, daß
er damit dem Herrn einen Vorwurf machen wollte, daß Er ihm
die Frau gegeben hätte. Er hätte ja nur zu sagen brauchen
,,die Frau" oder ,,meine Gattin", dies um so mehr, da keine
andere Frau vorhanden war; aber mit Fleiß fügt er hinzu:
,,Die Du mir zugesellt hast". ,,Deshalb", sagt Luther,
,,sind diese Worte voll Zorn und Unwillen gegen Gott, als ob
er sagen wollte: Diesen Schmutz hast Du selbst auf mich
geworfen. Hättest Du mir nicht die Frau gegeben, sondern ihr
einen eigenen Garten gegeben, so daß sie nicht bei mir
gewohnt hätte, so wäre ich von der Sünde frei geblieben; daß
ich jetzt gesündigt habe, ist Deine eigene Schuld, weil Du
mir die Frau gegeben hast." Welch schreckliche Bosheit hat
den erst so reinen und so guten Menschen ergriffen. Statt
daß Adam dem barmherzigen Vater entgegenlief, Ihm zu Füßen
fiel und mit bitteren Tränen seine schreckliche Sünde
bekannte und Ihn um Verzeihung bat, fängt er an, falsche,
ausweichende Antworten zu geben und direkt Gottes Stimme und
den von Gott geschaffenen nackten Leib als Ursachen seiner
Flucht zu beschuldigen. Anstatt zu sagen: ,,Ich habe
gesündigt", sagt er: ,,Du Gott, Du hast gesündigt, der Du mir
die Frau gabst." An Adam sehen wir, wie alle Menschen sind
und handeln, wenn sie gesündigt und die Stimme des Gesetzes
im Gewissen vernommen haben, solange das Evangelium und der
Glaube ihre Herzen noch nicht eingenommen und verändert
haben. Hätte Gott gleich gerufen: ,,Adam, du hast Vergebung!
Ich weiß, wie du gesündigt hast, aber Ich habe es vergeben",
dann würde Adam in herzlicher Demut seine Sünden bereut und
bekannt sowie sie auch aufs eifrigste verflucht und gesagt
haben: ,,Ich habe gesündigt; barmherziger Vater, vergib mir!"
Weil aber die Hoffnung auf Vergebung bei ihm noch nicht
vorhanden war, war sein Herz verschlossen, hart und bitter
gegen Gott.
Und hier hilft es nichts, einzusehen, daß dies alles sündig
ist; man vermag doch nicht anders zu handeln, solange die
Gnade oder die Vergebung Gottes das Herz nicht erwärmt und
gedemütigt haben. Eva sah ohne Zweifel, wie schlecht Adams
Entschuldigung gelang, und sie hätte sich dies eine Lehre
sein lassen sollen, so daß sie Gott die Ehre gegeben, die
Sünde bekannt und in Demut um Gnade gebeten hätte. Aber
nein, sie handelt gleich darauf genauso wie Adam, sie ist
also gar nicht besser. Gleichwie er die Schuld auf die Frau
geschoben hatte, so schiebt sie die Schuld auf die Schlange,
die auch Gottes Geschöpf war, als ob sie sagen wollte: ,,Die
Schlange, die Du, Gott, erschaffen und im Paradiese hast
umherkriechen lassen, betrog mich." So klagen sie den
Schöpfer an und entschuldigen sich selber. So geht es noch
immer. Dem Unglauben folgt der Ungehorsam aller unserer
Kräfte und Glieder, dem Ungehorsam folgen Entschuldigungen.
Die Sünde will weder Sünde sein noch als solche bestraft
werden, sie will Unschuld heißen. Wenn sie dies nun nicht
darf, dann straft sie Gott Lügen, und es wird aus einer
menschlichen Sünde ganz und gar eine teuflische. Und so
geht der Unglaube zum Haß gegen Gott und der Ungehorsam zur
Anklage des Schöpfers über. Das ist dann der letzte Grad der
Sünde, nämlich Gott, den Herrn, zu hassen und Ihm die Sünde
zuzurechnen, als ob sie von Ihm käme. Gerade das finden wir
hier bei Adam und nicht weniger bei Eva.
Wohin soll ich mich verstecken?
Ach, wo treff' ich Kleider an,
Daß ich meine Schande decken
Und vor Gott bestehen kann?
Keine weiß ich als die Wunden,
Die vom Haupte bis zum Fuß
Meine Seel' an dem gefunden,
Der am Kreuz verbluten muß.
J.Kroeker
Von Adam und seinem Fall.
"Da sprach der Mensch: Die Frau, die du mir zugesellt hast,
die gab mir von dem Baum, und ich aß!" 1.Mose 3,12 f.
So oft der Mensch aß von diesem Baum, fand er immer den Tod
anstatt das Leben. Seine Erkenntnis in der Beurteilung der
Werte des Lebens wurde so verfinstert, dass er in seiner
Sprache und in seiner Ethik die Finsternis Licht hieß, die
Lüge Wahrheit nannte, im Untergang das Leben suchte und vom
Tod die Zukunft erhoffte.
Gottes Stimme fand jedoch nicht nur die Schuldigen, sondern
auch ihre Schuld. Sie deckte den Menschen nicht nur als
Sünder auf, sondern auch die Wurzel, die ihn zum Sünder
werden ließ. Denn sie will immer ein ganzes Werk tun, und
zwar ein Werk, das die Erlösung in sich trägt. Sie sucht den
Sünder nicht, um ihn um seiner Sünde willen anzuklagen,
sondern um ihn von derselben zu erlösen. In ihrem Gericht
über die Sünde liegt daher immer Gnade für den Sünder.
Wie oft ließ Gott in seiner Barmherzigkeit im Leben des
einzelnen, der Völker und der Geschichte das rettungslos im
Gericht zusammenbrechen, was sich dauernd als ein Hindernis
für das Heil der Menschheit erwies. Und ob der Mensch
tausendmal gehofft hatte, gerade darin das Leben und die
Zukunft zu finden, so nahm Gott es ihm dennoch durch Gericht,
weil Er besser weiß, was dem Menschen zu seinem wahren Heil
und Frieden dient. Grade in diesem vielfach so hart
scheinenden Vorgehen Gottes im Leben des einzelnen und der
Geschichte liegt daher weit mehr Gnade als Gericht für die
Schuldigen. So lag einst in der größten Gottestat der
Weltgeschichte, im Kreuz auf Golgatha, zwar das größte
Gericht über die Sünde, aber auch die größte Vergebung für
den Sünder.
Mit dem Sünder und seiner Schuld wurde auch die ganze
Versuchung bis zu ihrer Wurzel offenbar. Adams Antwort auf
Gottes schwere Gewissensfrage: "Hast du nicht etwa gegessen?"
lautete: "Die Männin, die Du mir ja zur Seite gegeben, gab
mir von dem Baum und ich aß." Und als Gott sich dann an die
Frau wandte und an sie die nicht weniger schwere Frage
richtete: "Was hast du getan?", da antwortete sie: "Die
Schlange hat mich betrogen und da aß ich." Wenn Gottes
Stimme sich auf den Boden des gefallenen Menschen begibt,
dann entgeht ihrem Licht keine Finsternis. Sie zerstört
alle Illusionen, sie enthüllt jede Unwahrhaftigkeit. Jede
Versuchung und jeder Verführer müssen als das offenbar
werden, was sie in ihrem innersten Wesen sind. Verführte
werden eines Tages unbedingt zu Anklägern ihrer Verführer.